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PALLASSEUM PORTRAITS

EIN FOTOGRAFISCHES AUSSTELLUNGSPROJEKT VON NORMAN BEHRENDT, OLE JENSSEN, CAROLIN MEYER, TOBI MORAWSKI UND SZILVIA SZTANKOVITS

20.—29. Januar 2012

Offizielle Eröffnung mit Stadträtin Sibyll Klotz:
20. Januar, 17 Uhr
am Pallasseum, Treffpunkt vor dem VorOrtBüro des QMs, Pallasstraße 5
Vernissage: 20. Januar, 19 Uhr
Galerie Walden – Potsdamer Strasse 91 – 10785 Berlin

Zeitgleich wird eine Auswahl großformatiger Porträts direkt am Pallasseum an Der Galerie über der Pallasstraße im öffentlichen Raum zu sehen sein.

Mit Gastautor Daniel Klemm (Pressemitteilung)

Ähnlich anderen großen Wohnungsbauprojekten wie etwa die ‚Cité Radieuse’ in Marseille, das ‚Edifício Copan’ in São Paolo oder das ‚Barbican’ in London ist das sogenannte ‚Pallasseum’ in Berlin-Schöneberg ein Ort, dessen architektonische Form und Konzeption dem Zusammenleben der dort lebenden Menschen außergewöhnliche Rahmenbedingungen bietet. In dem in den späten 1970ern von Jürgen Sawade errichteten Gebäudekomplex, der mitunter als sozialer Brennpunkt in die Schlagzeilen geriet, treffen ca. 2.000 Menschen zahlreicher Kulturen, Religionen und sozialer Schichten auf engstem Raum aufeinander, wobei eine bunte Mischung unterschiedlicher Lebensentwürfe und –vorstellungen ihren Platz finden.

Gleichzeitig hat sich in den vielen Jahren ein Nachbarschaftsfeeling entwickelt, dass die StudentInnen Ole, Tobias, Norman, Szilvia und Carolin von der Fachhochschule Potsdam nicht erwartet hatten, als sie sich im Wintersemester 2010/11 die Potsdamer Straße als Lehrobjekt auserkoren. Dennoch bemerkten sie sehr schnell, dass im Pallasseum Nachbarschaft groß geschrieben wird. „Wir waren extrem überrascht über die Offenheit der Leute,“ sagt Norman. „Manche haben uns gleich nach Hause eingeladen. Es ist einfach großartig, dass sie uns so viel Vertrauen geben.“

Deshalb kamen sie im Frühsommer 2011 zurück und widmeten sich den Bewohnern des ‚Pallasseums’ . Im Kaffee Klatsch und auf dem Parkhausdach bauten sie ein Fotostudio auf. Die Möglichkeit, sich professionell ablichten zu lassen sprach sich durch Mundpropaganda sehr schnell herum und bald waren die jungen Fotograf/innen überall bekannt. Wenn sie dann mal nicht so viel zu tun hatten, standen sie im Hof und redeten mit den Pallasseumbewohner/innen. Wie man es unter Nachbar/innen halt so tut.

Letzendlich fertigten sie hunderte von Porträts an. Darauf sind Frauen, Männer und Kinder aus allen Altersklassen und Kulturkreisen zu sehen, die im Gebäude leben und arbeiten. Es entstand eine einzigartige Sammlung von Porträts, welche annähernd die bunte Vielfalt der dort lebenden Menschen verdeutlicht.

Eine Auswahl dieser Arbeiten ist in der Ausstellung ‚Pallasseum Portraits’ zu sehen. Sie zeigt einen charakteristischen Querschnitt der Menschen, welche diesen besonderen Ort in Berlin prägen. Im Unterschied zum alltäglichen Nebeneinander, bei dem Nationalität, Religiosität, äußeres Erscheinungsbild und politische Ausrichtungen weiterhin als wesentliche Bestimmungs- und Abgrenzungsmerkmale im Zusammenleben der Bewohner angewendet werden, stellen die Fotografien mit ihrer einheitlichen Ästhetik die Porträtierten auf ein und dieselbe Ebene. Durch diese Betrachtungsweise nivellieren sich zunächst die vordergründigen Unterschiede und geben jeder/jedem Einzelnen die gleichberechtigte Aufmerksamkeit, die ihr/ihm zusteht.

Mit ihrem Projekt haben die Fotografen ein nahezu umfassendes Abbild der aktuellen Bewohnerschaft des ‚Pallasseums’ geschaffen und geben so Einblick in die internen Strukturen des Wohnkomplexes. Es ist damit die Dokumentation der modellhaften Durchmischung von Wohnquartieren, eines sozialen Experiments, welches trotz seiner potentiell problematischen Implikationen aufgrund des Engagements seiner Bewohner mehr oder minder zu funktionieren scheint. Das ‚Pallasseum’ ist somit ein Ort des Nebeneinanders, welches zwar nicht immer reibungslos verläuft, bei dem sich jedoch zeigt, dass sich die beteiligten Kulturen miteinander arrangieren können. Das Projekt selbst hat mit seinem kommunikativen Ansatz zu diesem Miteinander beigetragen und Berührungsängste der Bewohner – sowohl untereinander als auch mit dem Medium der Fotografie – abgebaut.

Fotos mit freundlicher Genehmigung der Fotografengruppe

“ Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln aus dem Programm Soziale Stadt, Quartiersmanagement Schöneberger Norden und der Pallasseum Wohnbauten KG. „

Von Kletterbohnen, Brandenburger Törchen und Nachbarschaft

Der Regen dieser Tage tut ihnen richtig gut. Sie, die seit Mitte Mai bereits ranken, sprießen und blühen, bekommen einen neuen Schub. Sie werden so dicht, dass ihre Hilfskonstruktionen kaum mehr zu sehen sind. Von daher ist der Regen dieser Tage nicht so sehr zu bedauern von den Nachbarn.

„Ich steh hier grad vor meinem Haus in meinem Kiez und wir bauen hier was,“ gab ein Jugendlicher seinen Freunden kürzlich als telefonische Erklärung, warum er sie nicht treffen konnte. Derweil saß die ältere Generation bei einem Glas Tee auf einer Bank saß und ein Mädchen machte ihre ersten Erfahrungen mit Säge und Hammer. „Wir stellen hier gemeinsam etwas her, das gehört uns allen und ist sogar für mehrere Generationen,“ sagte Thomas Herzog, als er sich eine kurze Pause gönnt. „Das ist eine gute Art, sich kennen zu lernen. Ich gehe inzwischen hier in der Straße zum Friseur, da treffe ich die Leute dann wieder.“

Foto: Hans-Jörg Bahrs, K&K, Schöneberger Morgen

Die Szene war zu beobachten in der Katzlerstraße, wo das erste von insgesamt neuen Toren im Kulmer Kiez entstand. Die Idee stammt von der/dem KünstlerIn Sofia Camargo und Thomas E.J.Klasen, die vor einigen Jahren auch die Steinmetzstraße in der dunklen Jahreszeit in ein nachbarschaftliches Lichtermeer verwandelten. Mit von der Partie ist auch Streetworkerin und Künstlerin Hella Pergande.

Gespeist wird ihr Projekt von einer Beobacthung der Naturwissenschaftler Peter Tompkins und Christopher Bird: Russische Forscher entdeckten, dass eine Pflanze, die Wasser enthält, irgendwie imstande ist, dieses mit einer durstigen Nachbarpflanze zu teilen. In einem Forschungsinstitut wurde einem Getreidehalm, der in einen Glasbehälter gepflanzt worden war, mehrere Wochen kein Wasser gegeben. Dennoch ging er nicht ein. Er blieb so frisch wie die anderen Getreidehalme, die unter normalen Bedingungen in seiner Nähe wuchsen. So die Autoren in dem Buch „Das geheime Leben der Pflanzen“.

In den letzten Jahren sind im Kulmer Kiez, der entlang der Yorckstraße von den Yorckbrücken bis zur Potsdamer Straße reicht, bereits Netzwerke wie die AiF Bautzener Straße und die Anwohnerinnen und Anwohner rund um den Alten St. Matthäus Kirchhof entstanden, die sich beide um eine kiezgerechte Anbindung und Gestaltung des neu entstehenden Gleisdreieckparks und seiner umliegenden Flächen bemühen. Weiterhin hat sich im Kiez eine Gruppe vom Regionalen Regenbogenschutzkreis gegen Homophobie und Rassismus gegründet.

Dazu die ProjektleiterInnen: Wie die Menschen auch zur Natur gehören, können wir dieses Beispiel [des Getreidehalms]als Inspirationsquelle nehmen und ein friedliches Zusammenleben in unserem unmittelbaren Lebensumfeld fördern.

Gleichmacherei gibt es dabei nicht. Und so sind die Grünen Tore so individuell wie die Ideen der Nachbarschaften, die sie gemeinsam konzipieren, planen und auch bauen.

Foto Hans -Jörg Bahrs, K&K, Schöneberger Morgen

Das zweite Tor steht in der neuen Steinmetzstraße und trägt den Spitznamen „Kleines Brandenburger Törchen“. Die Pferdchen traben inzwischen durch den dichten Kräuterwald. Hier hatten die Jugendlichen vom Fresh 30 bereits ihre eigenen Klettergerüste mit Architekten gemeinsam geplant, gebaut und gestrichen. Das Törchen ist nun eine weitere Gestaltung ihres Spielraumes.

In der Mansteinstraße hingegen, gab die Umsicht der NachbarInnen eine unbenutzte Werbesäule frei. Nun klettern Bohnen von oben nach unten und von unten nach oben.

Eine Begegnung, die sich um 90 Grad verdreht in der gemeinsam Arbeit der AnwohnerInnen rechts und links der Mansteinstraße spiegelt. Die I-Tüpfelchen-Idee kam von den ex-Besetzern aus der Manstein 7. Die Mietnachbarn von gegenüber halfen, eine große Schüssel auf die 5-Meter hohe Säule zu hieven und diese mit Hopfen und Wein zu bepflanzen.

Nun stehen die ProjektleiterIn vor dem bisher kompliziertesten Projekt: die Errichtung eines Halb-Ballons – manchen sagen auch Ei – an der Ecke Katzler / Yorckstraße. Wer den zugigen Platz hinter dem U7-Ausgang kennt, kann ihm kaum etwas abgewinnen. Die Jugendlichen aus dem Treff 62 haben hier Gelegenheit, sich hier in guter Biosphäre-Manier einen Raum zu schaffen. 5 Meter im Grundmesser, 2 Meter in der Höhe. Aus Eisenmanier, flexibel, ungefährlich, bewachsen mit Schilf.

„Ganz unkompliziert“, sagt Sofia Camargo. Das Tiefbauamt sieht das etwas anders. Doch denken wir noch mal an den Regen von heute: Steter Tropfen höhlt den Stein. Was uns wiederum zu den bereits zitierten Naturwissenschaftlern führt: „Irgendwie muss Wasser von den gesunden Pflanzen zu dem „Gefangenen“ im Glasgefäß übertragen worden sein. „Wie das geschehen konnte, davon hatten die Wissenschaftler keine Ahnung.“


Besseres Coaching für Migranten

Von HU-Gastbloggerin Kerstin Litty

In der Steinmetzstraße in Berlin Schöneberg leben vor allem arabisch stämmige Migranten.

Hamad Nasser Leiter des Nachbarschaftstreffs Steinmetzstraße führt hier Beratungsgespräche zu sozialen, familiären oder beruflichen Fragen. So bekommt er tiefe Einblicke in die Bedürfnisse der Menschen im Kiez.

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Nachbarschaftstreff Steinmetzstraße (Foto: Litty)

Was Frauen und Männer gleichermaßen beschäftigt, seien gute Ausbildungschancen für ihre Kinder. Die Frauen wünschen sich ebenso ein glückliches Familienleben. „Für die Männer ist besonders die Erwerbstätigkeit von hoher Bedeutung. Viele sind leider arbeitslos. Sie haben aber einen starken Ehrgeiz in der Gesellschaft anzukommen“. Hamad Nasser arbeitet täglich mit Migranten und beobachtet, dass sie gerne arbeiten und sich integrieren wollen. Oftmals fühlten sie sich jedoch überfordert oder überlastet (Hamad Nasser).

Diese Überforderung erfahren oft auch nicht migrantische Arbeitslose und Arbeitende. Zum einen gibt es einen erheblichen Leistungsdruck auf dem Arbeitsplatz, andererseits fühlen sie sich durch Behörden und durch fehlende Anerkennung in der Gesellschaft oft stark unter Druck gesetzt.

Um in der Gesellschaft anzukommen, bzw. um integriert zu sein ist Arbeit jedoch dennoch sehr wichtig. Migranten kommen so mit Einheimischen in engen Kontakt. Beide Seiten können sich bei vielen auch sehr alltäglichen Gelegenheiten besser kennenlernen.

Wie kann es nun aber gelingen Migranten eine berufliche Perspektive zu geben, wobei man sie erst nimmt und auf ihre Fähigkeiten und Interessen eingeht?

Hamad Nasser meint aus Erfahrung, dass es wichtig ist die Menschen mehr zu coachen. „Man sollte Ihnen die Möglichkeit geben selbst mehr mitzugestalten und ihre Wünsche und Interessen ernst nehmen“. Dabei erzählt Nasser auch, dass Migranten in seinem Kiez manchmal bestimmte Berufe vorgeschlagen werden, obwohl ihre Interessen und ihre Begabungen woanders liegen.

Deshalb schlägt Hamad Nasser, der seit 2005 erfolgreich eine Vätergruppe für Migranten leitet ein „Einzelcoaching für Männer“ vor. Dabei sollten ihre eigenen Vorstellungen gestärkt und thematisiert werden um mögliche Berufswege für sie zu finden. Im Nachbarschaftstreff in der Steinmetzstraße beobachtet Herr Nasser die starke Neigung der vorwiegend arabischen Migranten sich selbst einzubringen und mitzuarbeiten.

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Mitarbeit in der Steinmetzstraße

Bei Migranten kann man ebenso eine starke Tendenz zur Existenzgründung beobachten. Auch diese Fähigkeit sollte man ernst nehmen und durch Mikrokredite unterstützen. Die Vergabe von Mikrokrediten wird auch in der 3. Welt oft angewendet um Existenzgründer zu unterstützen.

Ebenso erachtet Herr Nasser eine bessere Qualifizierung für die Integration auf dem Arbeitsmarkt als besonders wichtig.

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Hamad Nasser - Leiter des Nachbarschaftstreff Steinmetzstraße

Die unzureichende berufliche Bildung von Migranten fängt schon bei Jugendlichen an. Seit Mitte der neunziger Jahre sind die Ausbildungschancen von Jugendlichen mit ausländischem Pass rückläufig. Im Jahr 2004 lag die Ausbildungsquote ausländischer in Deutschland lebender Jugendlicher bei 25% wobei Deutsche zu 61% in einem Ausbildungsverhältnis waren. Darüber hinaus können Deutsche Jugendliche häufiger ein Studium wahrnehmen. Die Sozialwissenschaftlerin Ursula Boos-Nünning kritisiert in ihrem Buch zur beruflichen Bildung von Migranten das verschenkte Potenzial für Wirtschaft und Gesellschaft.

Auch die Menschen im Steinmetzkiez haben ein starkes Potenzial und sollten mehr nach ihren Interessen und Fähigkeiten gefördert werden. Bei Ausbildungen und Weiterbildungen kann dabei ein besseres Coaching eine Schlüsselfunktion haben, um zu verhindern dass Menschen in Berufen weitergebildet werden die nicht zu Ihnen passen und deshalb wenig erfolgversprechend sind.