Schlagwort-Archiv: Schach

Wunderdinge gibt’s im Schöneberger Norden

Wenn Moussa Issa, seines Zeichens Anwohnervertreter der BülowKiezes im Quartiersrat Schöneberger Norden und Mensch mit wunderbar leisem Humor, vom Schach spricht, dann leuchten seine Augen noch einmal mehr als gewöhnlich und sein freundliches Lächeln wird noch einmal wärmer.

Dieser Mann liebt Schach. Auf jedem Kiezfest sitzt er am Schachbrett und unermüdlich wirbt er für den Schachclub Freibauer, die sich selbst humorvoll, dezent als einen „der kleinsten Schachvereine Berlins“ bezeichnen. Und weil sie so klein sind, haben sie gleich noch einen Vorteil: „Man sagt uns nach, wir wären der sympathischsten Verein in Berlin. Vielleicht gerade deshalb, weil der Kreis der Spieler überschaubar ist. Jeder einzelne wird gefördert und nimmt am Turnierbetrieb teil. Außenseiter gibt es bei uns nicht. Auch Kiebitze, die einfach mal zuschauen oder eine Partie mitspielen wollen, sind herzlich willkommen.“

Und weil Moussa Issa davon überzeugt ist, dass Schach für Jung und Alt im Schöneberger Norden nur gut sein kann, hat er mir einen Text gegeben. Dieser ist unterschrieben mit:

Im Auftrag des Schachspiels und für den Schachfreund Moussa Issa
Min Yung Mönnig (Schachlehrer), Berlin 07.06.2011

Wer ist Min Young Mönnig? Im Internet taucht er auf Platz 22 der Tabelle 2010/2011 des Berlin Pokals auf:  Min Yung Mönnig Sb 15(23) 4 17

Und wird als Trainer des Schachclubs Horben in Freiburg genannt. Also schachmäßig Deutschland nord-süd-ost-west unterwegs.

Sein Text strahlt in seiner gesamten Länge die Liebe zu dem Spiel aus. Hier einige Zitate, als Appetizer sozusagen:

Doch zuvor: Weil wir ja nicht alle in Freiburg Schach spielen wollen, können wir Freitags ab 19.30 Uhr in den Familientreff in der Kurmärkischen Straße 1-3 im Schöneberger Norden gehen. Denn da treffen sich die freundlichen Mitglieder des SC Freibauer Schöneberg.
Kontakt: Herman Baeten, herbae/@/freenet.de, 030-34502673

Schach, ein Wunderding, das in Deutschland verkannt wird.“

Im folgenden lesen Sie eine kurze Zusammenfassung, um Ihnen die Hintergründe der obigen Aussage näher zu bringen.
Glück oder Fehler?
Beim Schach geht es nicht um das umherziehen irgendwelcher Figuren, um mit Glück zu gewinnen. Glück ist bei diesem Spiel ausgeschlossen. Es gibt weder Würfel, noch zieht man irgendwelche Karten, so dass etwas unvorhergesehenes passiert. Und doch, so weiß der Schachspieler, wird man nur allzuoft von den gegnerischen Zügen überrascht. Man hat sie nicht vorausgesehen. Diese Überraschungen werden mit zunehmender Spielstärke immer kleiner, man hat immer mehr Möglichkeiten vorher bedacht und sich eine Antwort darauf überlegt. Und erst hier beginnt das eigentliche Schach spielen. Natürlich gibt es oft den Ausruf, oh hab ich Glück gehabt, der Gegner hat meinen Trick nicht gesehen. Vom Standpunkt des Rufenden mag das so sein, aber eigentlich ist sein Glück nur darin begründet, dass der Gegner offensichtlich einen Fehler gemacht hat.

…………

Schach macht mich zum nächsten Einstein?
Zahlreiche Studien bescheinigen die Verbesserung zahlreicher kognitiver Fähigkeiten. Eine große Studie stammt von der Uni Trier aus dem Jahr 2005, die über 4 Jahre hinweg durchgeführt wurde. Auch Lese- u. Rechtschreibfähigkeiten wurden deutlich verbessert. Die Kinder mit Schachunterricht waren am Ende sogar 2,5x besser im Leseverständnis als der Landesdurchschnitt und 3x besser im Sprachverständnis. Dies zeigt ganz deutlich das Training für das Gehirn, welches eben nicht, wie die weitläufige Meinung ist, auf Logik begrenzt ist. Wichtig ist dabei, dass die Verbesserungen unabhängig von der erreichten Spielstärke auftreten. Die bloße Beschäftigung mit dem Schachspiel reicht aus.
Das heißt natürlich nicht, dass wir alle zu Genies werden, wenn wir uns mit Schach beschäftigen, aber vermutlich werden wir geistig fitter als ohne Schach. Je früher wir anfangen desto besser. Gerade Kinder sind geistig noch sehr flexibel, und verinnerlichen die verschiedensten kognitiven Fähigkeiten viel intensiver.


Aber geistige Leistungsfähigkeit ist nur das eine.
Schach spielt man zu Zweit, es gibt auch Varianten zu Viert oder Mannschaftskämpfe, 4 gegen 4 oder 8 gegen 8. Fakt ist, man muss sich mit seinen Partnern und seinen Gegnern auseinandersetzen…im Kopf…man darf die Antworten des Gegners (den Schachzug) nicht ignorieren, sonst verliert man. Man muss überlegen, was der andere möchte, oder was für die Mannschaft wichtig ist.
Folge: trotz der Kopflastigkeit, hat dieser Sport soziale Wirkung, oder vielleicht gerade deshalb. Es ist außerdem egal, woher jemand kommt, welche Religion er hat, ob Mann oder Frau, ob er reich oder arm ist. Wer seinen Gegner unterschätzt, widmet ihm und seinen Zügen nicht mehr die volle Aufmerksamkeit, was nicht selten zum Verlust der Partie geführt hat. Folge: Schach hat auch integrative Wirkung. Wenn man dann erst einmal gegen Jemanden gespielt hat und eine spannende Partie hinter sich hat, bei dem sich der Gegner tapfer geschlagen oder uns sogar besiegt hat, so lernt man diesen auf besondere Art und Weise zu schätzen. Folge: Schach lehrt Respekt.

Mein Gott, war’s das jetzt mit dem Wunderding? Ich bin schon längst überzeugt!
Nein, es gibt noch so unzählige Facetten, was die Wirkung des Schachspiels angeht. Dies ist lediglich eine Zusammenfassung. Die soziale und integrative Wirkung wurde übrigens auch durch Studien belegt. Was ich für diese Zusammenfassung aber noch erwähnenswert erachte ist, dass der Schachlernende, besonders wieder mal bei Kindern, einen besonderen Bezug zu sich selber entwickelt. Der Lernende lernt in doppelter Hinsicht. Zum einen das Schachspiel, zum anderen lernt er mit Fehlern umzugehen. Er muss sie erst erkennen, sich eingestehen und seine Gedanken dahingehend ordnen, diesen Fehler nach Möglichkeit nicht zu wiederholen. Selbstkritik und Bedachtheit sind in meinen Augen Dinge, die zu einem friedlichen Miteinander dazugehören, und beim Schach Voraussetzung sind, um besser zu werden.

……

Hat da vorhin jemand Sport zu Schach gesagt?
Schach ist Disziplin im Deutschen Sportbund. Dieser nimmt Schach natürlich nicht einfach so als Sportdisziplin auf. Für die Entscheidung wurden unzählige Fähigkeiten aufgelistet, die Sport ausmachen. Auf Schach trafen alle zu, außer die körperliche Aktivität, dafür bot es noch zahlreiche weitere Eigenschaften.
Schach wurde daher als Disziplin aufgenommen. Im Übrigen hat ein Weltmeister nach seinem Weltmeisterschaftskampf, der mehrere Tage dauerte, einige Kilo verloren. Es gab einen Fall von Herzversagen, während einer Schachpartie…undenkbar aber wahr! Eine Schachpartie kann der körperlichen Anstrengung von einem 100 Meter-Sprint gleichkommen, weiß man heute. Je nach Art und Dauer der Schachpartie, mehr oder weniger. Adrenalin gibt es reichlich, nicht selten sieht man Schachspieler mit zitternder Hand die Figuren über das Brett ziehen.