Artikel von Gastblogger Susanna geschrieben im Rahmen des Sommerkurses 2012 “Online-Journalismus – Recherchieren und Bloggen” am Career Center der Humboldt Universität
Wenn man die Pohlstraße entlang fährt, ist der Eingang zur Pohl 11 leicht zu übersehen. Man muss schon zweimal hinsehen, um nicht am Efeu-verhangenen Eingang zu den 13 U-Bahnbögen vorbeizufahren.
Ist man jedoch erst mal im U-Bahn- Bögen Gelände angekommen, scheint man in einer kleinen Parallelwelt gelandet zu sein. Während auf der angrenzende Potsdamerstraße Lärm und Hektik den Takt angeben, dominiert auf dem Gelände der Pohl 11 die Ruhe selbst.
Die U-Bahn Bögen überlies die BVG dem Stadtteilverein, damit kulturelle und künstlerische Einrichtungen einen Platz finden können.
Ursprünglich waren in der Pohl 11 Kfz-Werkstätten ansässig, jetzt reihen sich Künstler, Ateliers, Werkstätten, ein Flamenco-Tanzstudio und ein Jugendtreff nebeneinander.
„Uns gibt es schon seit 17 Jahren“, verkündet der Leiter der Einrichtung, Karsten Masch (46) stolz.
Ein paar Türen weiter ist eine Mädcheneinrichtung.
Der Standort in der Pohlstraße wurde mit Bedacht gewählt, hier gibt es zahlreiche arabische Großfamilien. Der Stadtteil wird vom der Stadt Berlin als gefährlich eingestuft. Auseinandersetzungen zählen zu der Tagesordnung. Manchmal sind Waffen im Spiel. Keine guten Voraussetzungen, um heranzuwachsen.
„Naja, dass wir hier sind war schon geplant und nicht nur Mittel zum Zweck. Hier sollten Künstler und soziale Einrichtungen zu einander finden. Der Stadtteil ist hier im Umbruch, die soziale Situation soll hier verbessert werden. Außerdem gab es hier keinen Jugendtreff, obwohl der Bedarf groß ist.“
Er steht an der Küchenzeile des Jugendtreffs stützt sich mit beiden Händen auf der Arbeitsfläche ab und lächelt freundlich.
Es ist erstaunlich ruhig im Jugendtreff. Der Computerplatz ist unbesetzt. Der Fußball-Tisch und die Tischtennisplatte sind unbelegt. Kein Jugendlicher ist in Sicht.
„Das ist auch richtig so! Sonst wäre ja was falsch.“ Es ist 14 Uhr und Herr Masch erklärt, dass die Jugendlichen um die Uhrzeit in der Schule sind „Oder sein sollten. Wenn sie um 2 schon hier sind. Dann wissen wir, dass da was nicht stimmt und sie vielleicht geschwänzt haben“
Trotzdem öffnet der Jugendtreff seine Pforten von 14 bis 20 Uhr, von montags bis freitags.
Das vom Bezirksamt Mitte geförderte Jugendzentrum ist für alle Jugendlichen zwischen 7 bis 18 Jahren da. Hier wird Schulsozialarbeit, Nachhilfe und soziales Training geleistet. Vor allen Dingen wird viel Sport mit den Jugendlichen getrieben. „Wenn wir mal in die Sporthalle gehen, dann rennen sie dir regelrecht die Türe ein“, sagt Herr Masch lachend „aber für Fußball sind die immer zu haben. Manchmal wollen sogar noch 20-Jährige mitspielen. Aber das geht leider nicht.“
Der Bedarf für ein Jugendzentrum ist groß. Für die Ferienprogramme gibt es 250-300 Anmeldungen.
Ein Segen als auch ein Fluch für Karsten Masch und seine beiden Streetworker Jens und Saskia. Das Interesse ist da. Doch die Kapazitäten sind begrenzt. „Da muss man auch mal schweren Herzens absagen“
Das Jugendplanverfahren hat ergeben, dass es im Stadtteil Tiergarten-Süd ein Defizit von 50% an sozialen Jugendeinrichtungen gibt. Eine große Schwachstelle, die die Stadt Berlin beflissentlich zu übersehen scheint. Auch die finanziellen Rahmenbedingungen für ein anständiges Arbeitsklima sind nicht gegeben. „Wir wissen nicht, ob wir nächstes Jahr noch da sind. Im Oktober fängt man mit dem Überleben aufs Neue an“
Die größte Herausforderung des Jugendtreffs ist die Finanzierung und die massiven Kürzungen, die zu ertragen sind. „Das ist eine Doppelmoral. Man fordert mehr Zivilcourage, aber kürzt erst mal die Gelder für die Jugendarbeit“ Eine Bahn rauscht vorbei. Es donnert über unseren Köpfen. Und Herr Masch schaut verärgert aus dem Fentster.
Obwohl Sozialpädagogen heutzutage hohes Ansehen genießen, glaubt man fataler Weise, dass dies ausreiche. Soziale Unruhen sollen durch die Arbeit von Masch und seinen Kollegen verhindert werden. „Das ist natürlich Schwachsinn.“, kommentiert Masch. Er ist überzeugt, dass die Prävention am Ende billiger sein wird als die Folgen am Ende.
Was die Grundvoraussetzung für diesen Job sei? „Man braucht ein dickes Fell. Zweifellos!“ Interkulturelle Kompetenzen für die Arbeit sind Pflicht.
„Man muss mit den Jugendlichen umgehen können. Einige haben nicht nur Schwierigkeiten mit der Schule, sondern auch mit der Justiz. Kleinere oder größere Gewaltprobleme sind auch nicht selten.“
Regeln für die Jugendlichen sind zwingend erforderlich und manchmal werden die alltäglichsten Gepflogenheiten knallhart im Jugendtreff eingefordert. Wenn die Jugendlichen in den Treff kommen, sollen sie erst mal grüßen. „Ein Hallo, wenn man rein kommt. Klingt zwar banal. Ist aber sehr wichtig für den sozialen Umgang“
Im Jugendtreff gilt die Regel immer zu zweit zu arbeiten. Erst nach Jahre langer Erfahrung ist es erlaubt auch einmal alleine zu arbeiten, aber selbst das schützt nicht vor ausartenden Konflikten.
Daher sei es wichtig vor den Jugendlichen nicht zu fordernd aufzutreten. Wenn man sie mit zu vielen Regelungen und Sanktionen einschränke, dann würden sie den Jugendtreff nicht mehr aufsuchen und ihre Freizeit auf der Straße verbringen.
Was ihm an der Arbeit mit den Jugendlichen Spaß mache? „Ich bin inhaltlich sehr an diesem Thema interessiert. Ich hab Sozialwissenschaften und Psychologie an der Technischen Universität Berlin studiert. Und einen Master in sozialer Arbeit in Potsdam gemacht. Und bei meiner Arbeit ist das richtige Feldforschung. Ich bin mitten drin. Es ist hart. Aber es gibt auch die guten Momente.“
Wenn man ihn nach diesen Momenten fragt, erhellt sich Masch Laune sichtlich und auch mit ein wenig stolz erzählt er dann von den Momenten, für die es sich lohnt hart zu arbeiten.
„Wenn Leute mit 25 hier noch hinkommen, nur um dir zu erzählen, dass sie jetzt einen guten Job und eine Familie haben, dann bist du schon zufrieden. Aber letztens bin ich durch den Kiez und da war einer von den Jugendlichen, die hier regelmäßig in den Treff kommen. Er war mit einer Gruppe Halbstarker unterwegs und hat mich gegrüßt. Seine Freunde wollten wissen, warum er mich denn Grüße und da hat er geantwortet: Das ist Karsten aus dem Jugendteam. Der hat mich groß gezogen.“
Trotzdem bleibt der 46 Jährige nüchtern und realistisch. „Man sollte nicht allzu viel Dankbarkeit erwarten. Frustrierend ist der Job häufig.“ Im Jugendtreff wird regelmäßig eingebrochen. Es wird auch gerne mal geklaut. „Und wenn dann noch finanziell an der Wand steht. Na dann gute Nacht“, Masch schüttelt den Kopf.
Der größte Fehler, den man machen könnte, sei zu glauben, dass man alles mit Liebe retten kann. Masch grinst, wenn er von den Leuten spricht, die als Erste aufhören, weil sie ein falsches Bild von der Arbeit als Jugendarbeiter hatten.
„Es ist kein einfacher Job. Man kann den nicht ewig machen. Als 30-Jähriger von 10-Jährigen übel beschimpft zu werden. Das geht schon an die Materie.“
Angst ist hier fehl am Platz. Nüchterner Realismus ist geboten.
Der Job ist zweifellos eine Herausforderung, die Masch gerne annimmt. Für die Jugendlichen und für sich selbst.
„Diese Jugendlichen bekommen die wenigsten Leute in den Griff. Aber wenn sie hier sind, dann kann ich mit ihnen gemeinsam arbeiten. Man hat die Welt damit nicht gerettet. Aber es ist doch schon etwas“