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Artek – Von der Potsdamer Straße nach Kopenhagen

Geschrieben von Tobias

Im Tagesspiegelgebäude in der Potsdamer Straße 85C befindet sich Artek, ein finnischer Anbieter von Designermöbeln. Der Besuch des versteckten Ladens gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht.

Artek

Mit dem Aufzug zu Artek

In der Kiezzeitung mitteNdran fand ich auf Seite 8 der aktuellen Ausgabe einen kurzen Artikel zur Artek Deutschland Gmbh. Im 10. und 11. Stock des ehemaligen Tagesspiegelgebäudes werden demnach finnische Designmöbel angeboten. Per Fahrstuhl in den Laden, à la „Beam me up Scotty“? Das klang von Anfang an vielversprechend und außergewöhnlich. Denn wie Ikea von innen aussieht, wissen wir alle. Die individuellen Produkte von echten Designstars wie Alvar Aalto zu sehen, ist dagegen etwas besonderes. Weiterlesen

Handwerksladen Klaus Geschke

Klaus Geschke hinter der Kasse

Artikel von Gastbloggerin Jana, geschrieben im Rahmen des Sommerkurses 2012 „Online-Journalismus – Recherchieren und Bloggen“ am Career Center der Humboldt Universität

Dieser Laden hat Geschichte, denke ich erstaunt, als ich den Laden von Herrn Geschke betrete und den Blick durch die Räume schweifen lasse. Neben dem Stuck an der Decke entdecke ich auch originale Tapeten, deren Muster so alt scheinen, dass sie schon wieder modern sein könnten.

Besonders begeistert mich der Kassen- bzw. Eingangsbereich in dem nicht nur eine altertümlich anmutende Kasse steht. Hier befindet sich auch eine 30 Jahre alte Waage, wie ich sie bisher nur aus dem Tante-Emma-Laden in meiner Kindheit kannte und die für Messungen über ein Kilogramm mit Gegengewichten bestückt werden muss.

Farben selbstgemacht – wie vor 50 Jahren

Das Highlight des Handwerksladens befindet sich gegenüber der Waage: Ein Regal mit so kraftvoll leuchtenden Farbpulvern, wie ich sie in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen habe. Ich erfahre, dass es sich dabei um Farbpigmente handelt, mit denen sich die Kunden ihre Farben vor Ort selbst zusammenstellen können. Völlig begeistert und ein bisschen neidisch, weil ich gerade keinen Grund habe meine Wohnung zu streichen, frage ich Herrn Geschke, ob es diese Möglichkeit schon immer gab.

Die Tradition wird aufrechterhalten

Mit einem Nicken bestätigt der Ladenbesitzer meine Vermutung und erklärt mir, dass er die Tradition  aufrechterhalten möchte und der Laden deshalb weitestgehend unverändert geblieben ist. Auf meine Frage, was sich denn überhaupt verändert hätte, antwortet er mir, dass die Nachfrage nach Teppichen, zugunsten von Parkett, zurückgegangen ist und er nun hauptsächlich Holzzuschnitte und Farben verkauft. Die Fragen und Probleme der Kunden seien aber immer noch die gleichen. Meistens würde er schief gesägte Platten und Leisten korrigieren und seine Kunden beraten, wenn ihnen nach dem Streichen die Deckenfarbe entgegenkommt. 

Alles in allem ist der Handwerksladen Klaus Geschke zwar keine Konkurrenz zum Sortiment der großen Baumärkte. Wer aber Wert auf persönliche Beratung legt oder einfach gern in besonderen Läden einkauft, für den lohnt sich ein Besuch der Großgörschenstraße 8. Hier bekommt man noch individuellen Service und erlebt eine seltene Idylle, die entsteht, wenn der Ladenbesitzer eben nicht von der Gier nach schnellem Geld angetrieben ist und sogar der Hausverwalter Kuchen vorbei bringt.

Buchhandlung am Kleistpark – Ein Kleinod

Artikel von Gastblogger Moritz, geschrieben im Rahmen des Sommerkurses 2012 “Online-Journalismus – Recherchieren und Bloggen” am Career Center der Humboldt Universität

Fast an historischer Stelle gelegen, ist die Fachbuchhandlung am Kleistpark schon so etwas wie eine Rarität in der Potse. Nicht alleine wegen des Fokus auf Botanik und Zoologie, sondern schon weil es eine Buchhandlung ist, und diese sind in der Tat rar geworden.

Die Buchhandlung in der Potsdamer Straße 180 gibt es schon fast 60 Jahre, seit 1954 um genau zu sein. Und das Mobiliar ist genauso alt, was man ihm aber nicht ansieht. Wenn man das Geschäft betritt, so tritt man in einen Raum der Ruhe. Die hektische und lärmende Potsdamer Straße rückt in weite Ferne, der Duft von Büchern und Wissen umfängt einen, aber auch der von Beständigkeit mischt sich unter.

Wer sich in dem Geschäft ein wenig umschaut, findet auch den Grund für Letzteren. Zwischen den verschweißten Neuerscheinungen und den leuchtenden Buchrücken des neueren Bestands, erblickt das Auge auch die matten Buchrücken von Büchern aus anderen Zeiten. Bücher, die wegen des Inhalts gekauft wurden, nicht aufgrund von Marketingmaßnahmen. Hier stehen ein paar, dort stehen ein paar, fast versteckt, einfach herrlich.

Es sei so schon häufiger vorgekommen, dass Kunden beim Anblick eines älteren Buches ein freudiges „genau dieses Buch habe ich lange gesucht“ entfährt.

Fachbuchhandlung für Botanik und Zoologie mit Geschichte

Es ist zwar eine Fachbuchhandlung, aber das war die Buchhandlung am Kleistpark nicht immer. Am Anfang war es eine „normale“ Buchhandlung, und keine Fachbuchhandlung, zwar in derselben Räumlichkeit, allerdings mit gesonderten Büros, einem Keller und einem begehbaren zweiten Stock im Hauptraum dazu.

Die heutige Inhaberin, Frau Gajewsky, leitet das Geschäft zwar erst sei Mai letzten Jahres, aber das Datum täuscht. Sie hat das Geschäft von ihrem Mann übernommen, der dies schon 1995 von den damaligen Eigentümern übernahm, bei denen er seit 1974 angestellt war. Kein Wunder also, dass sie über das Geschäft, aber auch über Berlin, so einiges erzählen kann. Und eigentlich kommt sie gar aus Schweden, aber das ist schon mehr als 40 Jahre her. Auch wenn sie jetzt das Geschäft leitet, so ist ihr Mann weiter mit dabei und kümmert sich vor allem um die älteren Schätze, nur eben nicht mehr den ganzen Tag. Wer also einen speziellen Wunsch hat, sollte sich vormittags auf den Weg in die Buchhandlung machen.

Kleiner aber feiner

Das gleiche Angebot konnte nicht behalten werden, dafür war nach dem Verkauf des die Buchhandlung beherbergenden Gebäudes einfach nicht genügend Platz. Eine neue Ausrichtung musste her und da der andere Buchladen in der Straße sich auf Karten und Atlanten spezialisiert hatte, entschied man sich eben für Botanik. Dass dies auch genau dem Interesse des Ehepaars Gajewsky entsprach, wird hier wohl den Ausschlag gegeben haben – und weniger die Tatsache, dass dann eine Fachbuchhandlung für Botanik und Zoologie wieder fast an historischer Stelle stünde.

Denn der Heinrich-von-Kleist-Park, der auch der Buchhandlung seinen Namen verlieh, war tatsächlich früher ein botanischer Garten. Der Bestand an Pflanzen und Bäumen wurde zwar bis auf einen vor längerem bereits nach Berlin-Dahlem gebracht, um den dortigen Botanischen Garten aufzubauen, trotzdem schließt sich der Kreis. Immer dann, wenn dort eine Ausstellung oder ein Markt stattfindet, ist auch die Buchhandlung mit einem Stand vertreten.

Buchhandlung bleibt Buchhandlung

Trotz der Fachausrichtung hat die Buchhandlung natürlich auch das normale Angebot an Büchern im Sortiment. Wer eine Sprache lernen will oder kochen möchte, findet hier sein Nachschlagewerk, und wer Spannung mag, dem wird mit einer guten Auswahl an Krimis gedient.

PALLASSEUM PORTRAITS

EIN FOTOGRAFISCHES AUSSTELLUNGSPROJEKT VON NORMAN BEHRENDT, OLE JENSSEN, CAROLIN MEYER, TOBI MORAWSKI UND SZILVIA SZTANKOVITS

20.—29. Januar 2012

Offizielle Eröffnung mit Stadträtin Sibyll Klotz:
20. Januar, 17 Uhr
am Pallasseum, Treffpunkt vor dem VorOrtBüro des QMs, Pallasstraße 5
Vernissage: 20. Januar, 19 Uhr
Galerie Walden – Potsdamer Strasse 91 – 10785 Berlin

Zeitgleich wird eine Auswahl großformatiger Porträts direkt am Pallasseum an Der Galerie über der Pallasstraße im öffentlichen Raum zu sehen sein.

Mit Gastautor Daniel Klemm (Pressemitteilung)

Ähnlich anderen großen Wohnungsbauprojekten wie etwa die ‚Cité Radieuse’ in Marseille, das ‚Edifício Copan’ in São Paolo oder das ‚Barbican’ in London ist das sogenannte ‚Pallasseum’ in Berlin-Schöneberg ein Ort, dessen architektonische Form und Konzeption dem Zusammenleben der dort lebenden Menschen außergewöhnliche Rahmenbedingungen bietet. In dem in den späten 1970ern von Jürgen Sawade errichteten Gebäudekomplex, der mitunter als sozialer Brennpunkt in die Schlagzeilen geriet, treffen ca. 2.000 Menschen zahlreicher Kulturen, Religionen und sozialer Schichten auf engstem Raum aufeinander, wobei eine bunte Mischung unterschiedlicher Lebensentwürfe und –vorstellungen ihren Platz finden.

Gleichzeitig hat sich in den vielen Jahren ein Nachbarschaftsfeeling entwickelt, dass die StudentInnen Ole, Tobias, Norman, Szilvia und Carolin von der Fachhochschule Potsdam nicht erwartet hatten, als sie sich im Wintersemester 2010/11 die Potsdamer Straße als Lehrobjekt auserkoren. Dennoch bemerkten sie sehr schnell, dass im Pallasseum Nachbarschaft groß geschrieben wird. „Wir waren extrem überrascht über die Offenheit der Leute,“ sagt Norman. „Manche haben uns gleich nach Hause eingeladen. Es ist einfach großartig, dass sie uns so viel Vertrauen geben.“

Deshalb kamen sie im Frühsommer 2011 zurück und widmeten sich den Bewohnern des ‚Pallasseums’ . Im Kaffee Klatsch und auf dem Parkhausdach bauten sie ein Fotostudio auf. Die Möglichkeit, sich professionell ablichten zu lassen sprach sich durch Mundpropaganda sehr schnell herum und bald waren die jungen Fotograf/innen überall bekannt. Wenn sie dann mal nicht so viel zu tun hatten, standen sie im Hof und redeten mit den Pallasseumbewohner/innen. Wie man es unter Nachbar/innen halt so tut.

Letzendlich fertigten sie hunderte von Porträts an. Darauf sind Frauen, Männer und Kinder aus allen Altersklassen und Kulturkreisen zu sehen, die im Gebäude leben und arbeiten. Es entstand eine einzigartige Sammlung von Porträts, welche annähernd die bunte Vielfalt der dort lebenden Menschen verdeutlicht.

Eine Auswahl dieser Arbeiten ist in der Ausstellung ‚Pallasseum Portraits’ zu sehen. Sie zeigt einen charakteristischen Querschnitt der Menschen, welche diesen besonderen Ort in Berlin prägen. Im Unterschied zum alltäglichen Nebeneinander, bei dem Nationalität, Religiosität, äußeres Erscheinungsbild und politische Ausrichtungen weiterhin als wesentliche Bestimmungs- und Abgrenzungsmerkmale im Zusammenleben der Bewohner angewendet werden, stellen die Fotografien mit ihrer einheitlichen Ästhetik die Porträtierten auf ein und dieselbe Ebene. Durch diese Betrachtungsweise nivellieren sich zunächst die vordergründigen Unterschiede und geben jeder/jedem Einzelnen die gleichberechtigte Aufmerksamkeit, die ihr/ihm zusteht.

Mit ihrem Projekt haben die Fotografen ein nahezu umfassendes Abbild der aktuellen Bewohnerschaft des ‚Pallasseums’ geschaffen und geben so Einblick in die internen Strukturen des Wohnkomplexes. Es ist damit die Dokumentation der modellhaften Durchmischung von Wohnquartieren, eines sozialen Experiments, welches trotz seiner potentiell problematischen Implikationen aufgrund des Engagements seiner Bewohner mehr oder minder zu funktionieren scheint. Das ‚Pallasseum’ ist somit ein Ort des Nebeneinanders, welches zwar nicht immer reibungslos verläuft, bei dem sich jedoch zeigt, dass sich die beteiligten Kulturen miteinander arrangieren können. Das Projekt selbst hat mit seinem kommunikativen Ansatz zu diesem Miteinander beigetragen und Berührungsängste der Bewohner – sowohl untereinander als auch mit dem Medium der Fotografie – abgebaut.

Fotos mit freundlicher Genehmigung der Fotografengruppe

“ Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln aus dem Programm Soziale Stadt, Quartiersmanagement Schöneberger Norden und der Pallasseum Wohnbauten KG. „

Wenn sie doch wenigstens Matrosenanzüge tragen würden!

Von HU-Gastblogger Florian

„Doch Froben hat den Schimmel kaum bestiegen, So reißt, entsendet aus der Feldredoute, Ihn schon ein Mordblei, Roß und Reuter, nieder. In Staub sinkt er, ein Opfer seiner Treue, Und keinen Laut vernahm man mehr von ihm.“

Mit diesen Worten beschreibt Heinrich von Kleist den Tod von Emanuel Froben in der Schlacht von Fellbelin, in der Preußen das Joch der schwedischen Besatzung abschütteln konnte.

Froben tauschte in dieser Schlacht sein Pferd gegen den auffälligen Schimmel des Kurfürsten, um so den Gegner zu verwirren. Prompt wird der junge Stallmeister dann auch an Stelle des Kurfürsten erschossen, damit dieser unterdessen die Schlacht gewinnen kann. Diese Heldentat für Kaiser, Volk und Vaterland hatte Froben bereits seinen Platz in preußischen Schulbüchern gesichert.  Es sollte aber noch weitere 200 Jahre und einige weitere Kriege dauern, bis ihm die volle Anerkennung für sein Opfertod zu Teil wurde. Denn im Jahre 1871 wurde die neuerbaute Parallelstraße der Potsdamerstraße ihm zu Ehren benannt. Der legendäre Emanuel Froben, Sinnbild preußischer Pflichterfüllung und Tugendhaftigkeit, ist damit also Namensgeber jener Straße,  die heute von Freiern aus ganz Berlin für ihren Transsexuellen-Strich geschätzt wird.

Als die Straße 1871 im Zuge der Stadterweiterung gegründet wurde, war das aber noch anders. Das erste Haus in der Frobenstraße macht dann auch gleich einen sehr gründerzeitlichen Eindruck, zwei schöne Ausfluchten, hohe Decken und alles vor kurzem renoviert. Bei dem angrenzenden Haus sind die französischen Kriegsreparationen auch gut angelegt worden, allerdings ist es heute in einem recht knalligem Rot gestrichen, wie das in einigen Bezirken Berlins gerne mit Gründerzeitbauten gemacht wird. Die Gegend rundherum ist angenehm ruhig – wenig Verkehr, einige Passanten und eine Traube spielender Kinder –was vor allem dem auffällt, der von der Potsdamerstraße kommt.  Von dem Altersheim gegenüber inspizieren ältere Damen die Passanten misstrauisch, bevor sie  sich wieder ihrer Gartenlaube zuwenden. Das Gebäude gegenüber reißt mich dann aber kurzfristig aus meinen Kaiserzeitphantasien heraus: Ein grauer Nachkriegsklotz, der ein Stockwerke mehr als die Gründerzeitbauten hat obwohl er deutlich niedriger ist.

Beim Überqueren der Bülow Straße (die weiter stadtauswärts übrigens zur Kleiststraße wird) darf man sich dann wieder wie 1871 fühlen. Nicht unbedingt wegen der Baustruktur der Straße, sondern wegen ihrer schieren Größe, das passt irgendwie besser zu der Zeit (vor allem als es die U1 noch nicht gab.) Die Straße ist also feierlich zum Sedanstag geschmückt, Soldaten mit Pickelhauben ziehen vorüber, dahinter die Kappelle, die „Heil dir im Siegerkranz“ und die „Wacht am Rhein“ spielt.

Hat man die Bülowstraße aber überquert, ist das Schwelgen im alten Preußen selbst mit der größten Einbildungskraft nicht mehr möglich. Den Anfang macht ein sozialer Wohnungsbau-Komplex, der sich von der Frobenstraße sicher 70m in die Bülowstraße hineinerstreckt. Gegenüber sind zwar Erker angebracht, aber ganz moderne. Unter diesen befindet sich das „Stehcafe Froben“, in dem es wie in den meisten 24h-Imbissen in U-Bahn-Nähe schmeckt, das scheint wohl genormt zu sein. Die einzige Reminszenz an das alte Preußen sind die in Fraktur geschriebenen Straßenschilder, manche von ihnen sogar an Jugendstil-Ständern befestigt. Während ich an auffällig vielen Kleinwägen, Golfs, Corsas, Fiestas vorbeigehe, stechen mir die üppigen Weinblätter am Ende der Frobenstraße ins Auge. Beim Näherkommen wundere ich mich über die quadratische Ausrichtung der Blätter, bis ich endlich begreife, dass sich unter den Weinblättern ein Gebäude, nämlich das Jugenzentrum „Villa Schöneberg“, versteckt. Während ich davor stehe, strömen Kinder aus der KiTa heraus. Wenn sie doch wenigstens Matrosenanzüge tragen würden!

Das Schöneberger Ufer

Von HU-Gastbloggerin Uta

Das Schöneberger Ufer hat seinen Namen nach der Neuanlage des Landwehrkanals durch Bezug auf die nach Westen erstreckte Schöneberger Straße erhalten. Ein Königlicher Hofschauspieler, von Lavallade, wollte erst dem Ufer den Namen „Prinzeß-Augusta-Promenade“ geben, das konnte er aber nicht durchsetzen Am 5. Juni 1935 erhielt das Ufer dann den Namen „Großadmiral-von-Koester-Ufer“. Im Juli 1947 wurde die Straße aber wieder nach dem alten Namen unbenannt.

Mein Spaziergang beginnt an der Ecke Potsdamer Straße, direkt an der Kreuzung sehe ich das griechische Restaurant Dionysos. Damals war es ein bekannter Anlaufpunkt für Künstler, heute sieht es eher weniger glamourös auf. Hätte ich vorher nicht im Internet darüber gelesen, wäre es mir gar nicht aufgefallen. Die Fassade ist etwas in die Jahre gekommen und das Restaurant erscheint eher unauffällig. Von der Innenansicht macht man sich am besten selbst ein Bild. Unweit davon entfernt, Richtung Lützowufer, befindet sich der Verein Berliner Künstler. Er wurde 1871 gegründet und ist der älteste Künstlerverein Deutschlands. Dort stellen, unter anderem, auch verschiedene Bildende Künstler in wechselnden Ausstellungen ihre Werke aus. Wer mehr Informationen möchte schaut einfach hier nach.

Im Laufe meines Spazierganges nehme ich die Lautstärke der vorbeifahrenden Autos immer stärker wahr. Von einer schönen Ufer-Atmosphäre kann man hier nicht sprechen. Auch wenn vor einigen alten Gebäuden hier noch kleine Vorgärten, meistens praktisch angelegt mit kleinen Sträuchern, vorhanden sind und dem Ganzen ein wenig Charme verleiht. Es ist laut und dunkel. Die Lautstärke ist wohl der dreispurigen Einbahnstraße geschuldet und die Lichtverhältnisse den hohen Gebäuden auf der einen und den hohen Bäumen am Ufer auf der anderen Seite der Straße. An einem der Altbauten sehe ich ein Schild mit den Schriftzug „Hans Albers 1892-1960. Der Volksschauspieler lebte in diesem Hause“. Da der deutsche Schauspieler und Sänger anscheinend gern ein wenig jünger wirken wollte, nahm er es mit seinem Geburtsjahr wohl auch nicht so genau, denn eigentlich ist er 1891 geboren. Vor dem Haus steht außerdem ein großer gelb-grün angestrichener Berliner Bär verziert mit einzelnen kleinen Bildern – einem Zauberer, vielen kleinen Spielkarten, ein weißer Hase der aus einem Zylinder springt und weitere kleine Hinweise auf die wunderbare Welt der Magie. Der Grund dafür ist bei einem Blick auf das Klingelschild schnell gefunden, denn hier befindet sich der Sitz des Magischen Zirkel Berlin e.V. , ein Interessenverband für Zauberer.

Die Straße weiter entlang, am Schöneberger Ufer 78, findet man erneut eine Gedenktafel, diese ist in Erinnerung an den Kunsthändler Ferdinand Möller angebracht worden. Er bewahrte „viele Kunstwerke vor ihrer Vernichtung durch die Verfolgungsaktion ‘Entartete Kunst’ der Nationalsozialisten“.

Mein „Rundgang“ ist damit für das Erste beendet. Die Buslinie bis fast direkt vor meine Haustür war dann doch verlockender als der unendlich lang wirkende Straßenverlauf mit seinen riesigen Gebäudekomplexen von Altbauten bis hin zu neu gebauten Geschäftskomplexen. Am anderen Ende des Schöneberger Ufers sehe ich noch vom Busfenster aus das ehemalige Dienstgebäude der Königlichen Eisenbahndirektion Berlins. Es diente früher der Deutschen Reichsbahn als Sitz der Reichsbahndirektion Berlin, seit Anfang 2006 ist es der Hauptsitz von Bombardier Transportation. Ein Unternehmen, das Lokomotiven, Triebwagen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und Reisezugwagen herstellt.

Licht und Schatten in der Pohlstraße

Von HU-Gastbloggerin Katarina Wagner

Die Pohlstraße erscheint mir ein ruhiger Rückzugsort vom Trubel der Potsdamer Straße. Breite Gehwegen, ein paar Büsche und Bäumen und die Sonne scheint auch noch. Gerade scheint sie nur auf die eine Straßenseite, auf der ich dich Häuser schöner finde. Auf der „Schattenseite“ stehen einige Häuser des sozialen Wohnungsbaus. Nun ja, die Mieter_innen haben hier allerdings ganz andere Probleme, denn die Sozialbauten sind vor einiger Zeit verkauft worden und die Mieten stark erhöht worden.

Ich setze mich einen Moment auf eine Bank unter einem Baum an der Ecke zur Körnerstraße. Ein Mädchen mit gelben Haaren läuft an mir vorbei. Ein Mann in Latzhose und langem grauen Pferdeschwanz fährt pfeifend auf dem Fahrrad die Straße entlang und Kinder fahren auf Rollern. Eigentlich scheint die Welt hier noch in Ordnung zu sein.

Hinter dem Spielplatz führt ein Durchgang zur den U-Bahnbögen, die Pohl 11. Gleich links befindet sich hier seit 15 Jahren das Jugendteam. Eine Einrichtung des Stadtteilverein Tiergarten. Heute spielt hier eine Gruppe Jungs am Computer und zwei weitere spielen Billiard. Chef hier ist Karsten Masch. Er erzählt mir von den von den Fußballturnieren, die sie hier unter anderem veranstalten. Hier spielen vor allem viele schwierige Jugendliche, die sonst nicht in den Vereinen genommen werden.

Denn eines stellt Masch klar: „Hier gibt es Licht und Schatten nebeneinander. Eigentlich ist es eine heiße Ecke hier. Die Straße erscheint zwar ruhig, aber die Sozialdaten sagen was ganz anderes“ Es gibt viele sozial schwache Familien, die meisten von ihnen mit Migrationshintergrund, außerdem viel Kriminalität. Auch ihm ist aufgefallen, dass sich immer mehr Künstler_innen ansiedeln, die Mieten gestiegen sind und auch auf der Freifläche vor ihrem Bogen werden Eigentumswohnungen entstehen. Denn mit der Nähe zum Potsdamer Platz sei das hier top Wohnraum. Deswegen ist die Straße auch eine Seltenheit in Berlin, meint Masch, einerseits starke soziale Probleme und andererseits kommende Eigentumswohnungen und Künstler_innen. Allerdings sieht er nicht, dass sich der Kiez so schnell verändern wird, schließlich lebten hier feinere Gesellschaften schon immer neben Bordellen und Wettbüros. Diese Spannung sei typisch für diese Ecke.

Ich laufe zurück, in Richtung Potsdamer Straße. Mittlerweile hat sich eine Gruppe von Müttern auf die Bänke an der Körnerstraße gesetzt. Sie sprechen arabisch, ihre Kinder deutsch miteinander. Ehrlich gesagt, habe ich noch immer den Eindruck, es sei eine friedliche Straße. Sie täuscht anscheinend sehr gut über ihre Probleme hinweg. Naja, im Sonnenschein sieht alles schöner aus.

Dann komme ich am Bioladen Ölweide vorbei. Das Bistro ist schon zu, aber im Laden wird noch verkauft. Am Türeingang kleben Sticker wie „I love Yoga“ und „Genfood, Nein Danke“. Ich fühle mich an den Prenzlauer Berg oder Kreuzberg erinnert. Ich unterhalte mich kurz mit Ahmed Gürez an der Kasse, ihm gehört der Laden. Seit acht Jahren hat er den, als dann auch daneben die Ladenfläche frei wurde, hat er sein Bistro nach nebenan verlagert. Viele kommen hier zur Mittagspause hin. Sein Laden läuft, es sei zwar schwierig in diesem Gebiet, aber er habe viele Stammkunden, erzählt er. Einer ist auch gerade herein gekommen. Er kauft ein Brot und einen Salatkopf und kommentiert die Frage nach einer möglichen Gentrifizierung der Straße und die zugezogenen Künstler_innen mit „Hoffentlich hauen die wieder ab!“ Er erzählt, dass ein benachbarter Künstler in seinem Haus (nicht in der Pohlstraße, aber in der Nähe) ausziehen musste, da sie ihm die Miete verdoppelt hätten. Jetzt kämen da „nur so Leute mit Goldkettchen und kleinen Hündchen aus London zu den Besichtigungen“, erzählt er, trotzdem lachend. Soweit scheint es in der Pohlstraße noch nicht zu sein.

Ich fahre nach Hause mit der Feststellung, dass in Berlin nicht immer alles so ist, wie es scheint und dass in einer kurzen Straße viele unterschiedliche Menschen ganz verschiedene Leben mit ganz verschiedenen Problemen haben können.

Grünes „Klück“

von HU-Gastbloggerin Dafni Ragousa

Diese Straße wurde nach Alexander von Kluck benannt, der im ersten Weltkrieg preußischer Armeeoberbefehlshaber war. Die Kluckstraße ist eine ruhige und stille Seitenstraße. Im Gegensatz zu den anderen Straßen des Lützowviertels ist sie eine reine Wohnstraße. Starken Publikumsverkehr und überfüllte Straßencafés gibt es hier ebenso wenig wie vorbei brausende Autos, Lärm und Abgase.

In der Nummer 11 gab es schon immer einen öffentlichen Garten, der früher allerdings verwildert und ungepflegt war und besonders gerne von Drogenabhängigen, Obdachlosen und Straßenprostituierten benutzt wurde. Kein Wunder, denn der Bezirk Tiergarten-Süd ist einer der siebzehn sozialen Brennpunkte Berlins. Ein Wohngebiet, in dem Faktoren, die die Lebensbedingungen ihrer Bewohner und insbesondere die Entwicklungschancen beziehungsweise Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen negativ bestimmen, gehäuft auftreten. Zur Verbesserung des Alltags und der Lebensqualität der Bewohner werden verschiedene Vereine sowie Quartiersmanagement tätig. Interessierte Anwohner/innen und Vertreter/innen aus dem Kinder- und dem Jugendtreff haben gemeinsam mit einer Stadtplanerin den „Garten für alle“ geplant. Aus dem Projekt Familiengarten ist ein neuer und größerer Garten mit Grillplatz und Flächen für Ballspiele entstanden. Teil davon ist der sogenannte interkulturelle Garten, in dem – wie der Name schon verrät – Pflanzen und Blumen aus aller Welt zu finden sind. Auch ein Pizza- und Kräutergarten ist hier zu finden, wo die Kinder alle diesen Kräuter und Pflanzen pflegen, die man für die Zubereitung einer leckeren Pizza braucht. Damit der Garten nicht mehr von Drogensüchtigen als willkommener Druck-Platz missbraucht wird oder von Prostituierten als „Vollzugsplatz“, schließt ein Zaun das Gesamtareal um.

Diesen Sommer war der Familiengarten zum ersten Mal mit einer Bühne auf der Fete de la Musique dabei.

Am gegenüberliegenden Magdeburger Platz kam am 15. Juli 1892 der Philosoph und Literaturkritiker Walter Benjamin zur Welt, der in seinen Erzählungen aus dem Berlin der 1920er Jahre der Markthalle einen mitbestimmenden Einfluss auf seine politische Sozialisation zuschreibt. Heute stellt sich auch dieser Platz als kleine grüne Oase mitten im Berliner Häusermeer dar.

Ein paar Schritte weiter, in der Kluckstraße 3 befindet sich mit 100 Zimmern die größte Jugendherberge Deutschlands. Als ich vorbei laufe, sehe ich eine Gruppe von Schülern, die mit ihrem Lachen die Ruhe der Gegend durchbrechen und lebendiger machen. Der Tag ist sonnig und warm, untypisch für diese Jahreszeit und die Jugendlichen genießen die Sonnenstrahlen auf dem grünen Gelände.

Die Kluckstraße erscheint – zumindest bei Tageslicht, als ich sie besucht habe – sehr friedlich und erinnert nicht an ihre nachbarschaftliche Potsdamerstraße und an die mit der Gegend verbundenen Probleme. Das Lachen der Jugendlichen, die weißen Schmetterlinge und die bunten Vogelscheuchen im Kräutergarten hinterlassen einen durchaus positiven Eindruck.

Die Potsdamer Privatstraße oder eine Terraingesellschaft zieht durch

Wie alle Terraingesellschaften so war auch die Gmbh „Potsdamer Straße“ nicht auf Dauer angelegt. Ihr Zweck war der Bau und Verkauf, nicht der Unterhalt von Häusern. Bereits 1905 befand sich die GmbH in Liquidation. Die Häuser gingen vorübergehend in das Privateigentum der (mutmaßlichen) Gesellschafter über.
Adolf Gradenwitz und seine Frau zogen allein in eine Wohnung am Landwehrkanal; die Töchter und Söhne hatten ihre Familien gegründet. Die Baugesellschaft wurde um 1910 aus dem Handelsregister gelöscht. Sie hatte ihre Aufgaben erfüllt. Geschaffen war eine hochklassige Wohnlage, im Besitz von bekannten Namen der Berliner Gesellschaft. Den Gründern dürft sie eine ausreichende Rendite beschert haben.(92)

So enden acht spannende Seiten in dem Buch „Die Schwarzen Schafe bei den Gradenwitz und Kuczynski“, auf denen Hans Hinrich Lembke, Hochschullehrer für Betriebswirtschaft und Verfasser mehrerer unernehmenshistorischer Arbeiten, die Entwicklung eines Teils der Potsdamer Straße an einer Jahrhundertwende beschreibt.

Wer war Adolf Gradenwitz und um welche Straße handelt es sich?

Adolf Gradenwitz, 1841 geboren, war Bankier, zunächst Direktor der Niederlausitzer Bank AG in Cottbus. Nach deren Liquidation zog der 1889 nach Berlin in einen Neubau in der Rathenowerstraße, den er 1886 erworben hatte. Seine Berufsbezeichnung war zunächst Kaufmann, später Rentier. Nach sechs Jahren verkaufte er das Haus und zog mit der Familie in die Lessingstraße. Außerdem entschloss er sich zur Karriere des Immoblienkaufmannes – im damaligen Sprachgebrauch „Terrainspekulant“. … Die erste große Investition tätigte er in dem Karree zwischen Potsdamer Straße, Lützowstraße und Am Karlsbad (85).

An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass das minutiös recherchierte Buch ungemein interessante Fußnoten enthält. So zum Beipiel Fußnote 263, die Auskunft gibt über den Verkehrszustand der Potsdamer Straße zu dieser Zeit: „Verkehrszählungen aus dem Januar dieses Jahres haben ergeben, daß die Potsdamer Straße an einem Tage während der Zeit von 6 Uhr morgens bis zwölf Uhr nachts rd. 8700 Fahrzeuge passieren.“ Diese Erkenntnis gab noch im selben Jahre (1897) den Anstoß für eine Verbreiterung der Straße, die zuvor zwischen Lützowstraße und Potsdamer Platz nur eine Dammbreite von 11 – 12 Meter hatte. Deutsche Bauzeitung, 31 (1897) 43, S. 269

Die Potsdamer Straße selbst war zu dieser Zeit bereits dicht bebaut. Hier fanden wohlhabende Bürger keine ruhigen Wohnbedingungen mehr und zogen eher weiter nach Westen. Wenn sie blieben, dann in Privatstraßen, die heute zum Teil noch erhalten sind.

So residierten Am Karlsbad der Maler Carl Begas der Ätlere seit den 1830er Jahren. Sein Sohn Reinhold, ebenfalls Maler und die Bildhauer Friedrich Drake und August Wredow waren ihm gefolgt.

Im sogenannten „Begaswinkel“ ( = zu erreichen von der Genthiner Straße) ließ sich der andere Sohn, Adalbert Begas, nieder. Derselbe Architekt, der diese – noch erhaltenen Villen – baute, also Ernst Klingenberg, baute dann eine Gruppe von sechs Hofvillen auf dem Gelände, das wir heute noch gerne Ex-Tagesspiegel nennen, obwohl es schon längst nur noch drei Villen hat und auch andere Besitzer. Dort lebten und arbeiteten u.a. der Akademiepräsident Anton von Werner und der Kunsthändler Fritz Gurlitt. Diese Villen wurden vom Lärm der Straße durch das Quergebäude Nr. 133 abgeschirmt.

Durch diese Ausgangslage spazierte Adolf Gradenwitz im Jahr 1895. Er wird um die vielen Künstler gewusst haben, deren Anwesenheit das Viertel aufwerten. Um die Königliche Kunsthochschule für Musik, die seit 1883 im Haus Nr. 120 gezogen war und wo u.a. Friedrich Kiel unterrichtete, der in der Lützowstraße 92 wohnte. Auf der anderen Seite hatten die Berliner Künstlerinnen und Kunstfreundinnen aus Anlass ihres 25-jährigen Bestehens eine neue Mal- und Zeichenschule eröffnet ( = heute Camaro-Stiftung) . Es gab Privatschulen, Ateliers, Kunsthandlungen und Geschäfte für Künstlerbedarfe.

Allein den Villenwinkel in der heutigen Bissingzeile gab es noch nicht. Hierzu Lemke: Die Idee, dieses Potential für den Bau eines „Villen-Winkels“ zu nutzen, hatte vermutlich nicht Gradenwitz, sondern vor ihm ein anderer Bauunternehmer entwickelt. Ein Baugeschäft Garnn & Krantz kaufte zwischen 1892 und 1895 die beiden Häuser 121 und 122 (alte Zählung), die schon an der Einmündung der Privatstraße erbaut waren. Die Pläne zur Entwicklung dieser Straße tragen die Namen Garnn & Krantz (für die Grundrisse) sowie Cremer & Wolffenstein (für die Fassaden). Ein dritter Name findet sich erstmals 1896 im Adressbuch: Eine „Potsdamer Straße Baugesellschaft GmbH“ ist als Eigentümerin der beiden Grundstücke genannt (laut Fußnote 267 waren sie ab 1896 nicht mehr eingetragen). Die Firma war im Vorjahr ins Handelsregister eingetragen worden, mit dem „Rentier“ Adolf Gradenwitz als allein vertretungsberechtigtem Geschäftsführer. (86)

Laut Berliner Börsen-Zeitung Nr. 276 vom 15. Juni 1895 (Fußnote 269) war der benannte Unternehmenszweck die Errichtung von Gebäuden und der Verkauf der Gebäude und Grundstücke. Das Stammkapital belief sich auf 1 Million, ein Hypothekendarlehen auf 4,5 Millionen Mark.

Gesellschafter der GmbH sind laut Lemke nicht bekannt und er stellt Überlegungen an inwieweit Gradenwitz vielleicht doch mit Garnn & Krantz kooperierte oder konkurrierte. Im Zusammenhang mit der Frage nach Konkurrenz oder Kooperation (s.o.) ist bemerkenswert, dass bei Auflösung der Baugesellschaft sowohl ein Baumeister Garnn als auch eine Frau Garrn Hauseigentümer in dem Straßenwinkel wurden – für nur wenige Jahre. Auffällig ist auch, dass Gradenwitz‘ zweite Gesellschaft, die Zehlendorf-West Terrain AG kurzzeitig die Potsdamer Straße 6 (alte Zählung) als Adresse auswies, wo vorher der Baumeister Garnn gewohnt hatte. Möglicherweise wurde er für diese Gesellschaft tätig – Konkurrenz oder Kooperation? (Fußnote 272)

Die zwölf vierstöckigen Mietshäuser mit mehreren Wohneinheiten wurden gebaut vom Architektenbüro Cremer & Wolffenstein, die zeitgleich auch die 1898 in der Lützowstraße eingeweihte Synagoge errichteten. Die zwei bereits bestehenden Häuser wurden umgebaut und ebenfalls in das Ensemble integriert. Das Projekt wurde in einem Artikel „Berliner Wohnbaublöcke“ als ein vornehmes Beispiel mit herrschaftlichen Mietwohnungen“ beschrieben. (Fußnote 274)

Und auf Seite 203f im dritten Band von „Berlin und seine Bauten“ wurden die Privatstraße im Bereich der Potsdamer Straße nicht nur ausführlich beschrieben, sondern die Verfasser resümierten: Wohnungen in derart gelegenen Häusern pflegen wegen der Ruhe, die sie bieten, sehr gesucht zu sein. (Fußnote 274)

So mußte auch Adolf Gradenwitz nicht lange auf Mieter warten. Sie kamen aus dem gehobenen Bürgertum, nur wenige Industrielle mieteten sich ein. Bankbeamte hingegen kamen viele. Die Immobilienbranche war vertreten, etwas Kunstgewerbe, eine damals noch unbekannte Kunsthandlung und der Mitinhaber eines alteingeesessenen Kunsthauses. Ein Jurist und zwei Architekten. Ein Professor für Malerei und eine Malerin nahmen ebenfalls Quartier. Und auch die links-bürgerliche Intelligenz fand ein zu Hause.

Terraingesellschaften und Architekten gehörten zum Berufsmilieu des Adolf Gradenwitz, Künstler zur Zukunftswelt seiner älteren Tochter. Als die Familie in den Villen-Winkel zog, war Berta Gradenwitz 18 Jahre alt. Über ihre Ausbildung ist wenig bekannt; in den Erinnerungen ihres Sohnes war sie ein (nicht überragend) begabte Malerin. ….. Zu vermuten ist auch, dass sie dort [im Haus des Künstlerinnenvereins in der Potsdamer Straße] eine Zeitlang Schülerin war. (89)

Als das Werk vollendet war, wandte sich Adolf Gradenwitz endgültig der Region um den Schlachtensee zu, den er schon seit 1894 im Auge hatte.

Und die Straße? Fußnote 268: Die „Potsdamer Privatstraße“ (inoffizieller Name) wurde 1936 nach einem General Bissing benannt („Bissingzeile“). Bissing war im 1. Weltkrieg der deutsche Generalgouverneur in Belgien; er zielte auf eine Angliederung der flämischen Gebiete an das Deutsche Reich. Erst 1955 wurde die Zeile zur öffentlichen Straße; die Benennung blieb unverändert.


Von Empfang auf Sendung – weltweit erste Satellitenschüssel-Galerie

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Anfang Juni bestaunten die AnwohnerInnen im Schöneberger Norden die Eröffnung einer Galerie der besonderen Art, die von nun an das Pallasseum ziert. Die Wohnanlage aus den 70er Jahre, die mehr als 2.000 Menschen Wohnraum bietet, überspannt die Straße und ist dicht bestückt mit Satellitenschüsseln, denn nur so sind die Fernsehstationen aus mehr als 30 Nationen zu sehen.

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Nun ist von Sendung auf Empfang umgeschaltet: „Von Innen nach Außen“ heißt das Projekt von Daniel Knipping . Ich traf ihn für ein Interview im Schöneberger Morgen, der Zeitung des Quartiersmanagements Schöneberger Norden.

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Daniel Knipping ist Kunsttherapeut und freischaffender Künstler, lebt in Lindau und arbeitet in Deutschland und der Schweiz. Seine Materialien sind Fotografie, Holz und Stein. Sein Anliegen ist es, innere Prozesse darzustellen. So entstand auch die Idee der Satellitenschüssel-Galerie.

„Vor vier Jahren sah ich in Österreich zufällig ein kleines Migrantenwohnheim, ganz abseits am Rande einer Stadt,“ erzählt Knipping. „Dort lebten Asylbewerber und sie hatten gar keine Chance anzukommen. Es hat mich geärgert und ich habe mit ihnen gesprochen. Das Haus war gespickt mit Schüsseln und mir kam der Gedanke, dass man das Heim sichtbar machen müsste, indem man die Schüsseln für eine künstlerische Botschaft nutzt.“

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Zu realisieren war die Idee an der Stelle nicht und Jahre später entdeckte Knipping bei einem Berlin-Besuch das Pallasseum. Das Quartiersmanagement Schöneberger Morgen, die Pallasseum Wohnbauten KG und der Stadtteilverein Schöneberg Nord waren spontan begeistert für seine Idee und bereit, den Weg hier in Schöneberg Nord mit ihm zu gehen.

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Die Idee hat Knipping natürlich gemäß dem neuen Umfeld modifiziert. Denn die Menschen hier sind schon lange im Kiez angekommen, manche wohnen bereits seit mehreren Generationen im Pallasseum.

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„Es geht um Kommunikation, Integration, Identität und darum, dass verschiedene Kulturen etwas zusammen schaffen. Und es ist ein Umkehrverfahren,“ sagt Knipping. „Meine Idee ist es, an der Stelle, wo Informationen in eine Wohnung hineinkommen, den Prozess umzudrehen. Die Menschen, die dort leben, können etwas von innen nach außen senden. Jede Familie kann ihre eigene Botschaft in einem Bild darstellen. Eventuell ergibt alles zusammen eine Gesamtbotschaft. Dann ist der Betrachter ist in seiner Wahrnehmung gefordert. Ich bin gespannt auf die Botschaft, die erkannt wird.“

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Mit ihren langjährigen Kontakten zu BewohnerInnen des Hauses halfen MitarbeiterInnen des Stadtteilvereins – Knipping beschreibt sie dankbar als seine „Wohnungstüröffner“ – bei der Kontaktaufnahme. Mit seiner Fähigkeit zuzuhören, empathisch auf Menschen einzugehen, gewann Knipping sie dann auf Sendung zu gehen und ihre Satellitenschüsseln als Botschaftsträger zu verwenden. Fast 80 erklärten sich bereit mitzumachen.

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„Manchmal habe ich auch nur Gespräche zwischen Tür und Angel geführt,“ erinnert er sich an die Kontaktaufnahmen. „Doch letztendlich mussten mich alle in ihre Wohnung lassen, damit ich die Schüsseln ganz genau ausmessen kann. Nach anfänglicher Skepsis ist mir sehr viel Gastfreundschaft entgegen gekommen. Ich habe sehr viel Chai getrunken, Gebäck bekommen.“

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Familienalben wurden durchblättert, Erinnerungen aufgefrischt, Gespräche geführt. Dann entschied sich jede Familie für ein Bild.

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Als er den Ordner mit den ausgewählten Motiven durchblättert, erinnert Knipping sich immer wieder neu an die Situationen. Er klingt bei vielem angerührt von den Geschichten und der Offenheit, auf die er traf.
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Viele wollen auf den Bildern ihre Verbindung zur Heimat zeigen, Erfahrungen mitteilen, Erlebnisse, Kinder, Sehenswürdigkeiten. Bei einer Familie ist er zugegen, als Essen zubereitet wird und so entsteht ein Bild mit den geöffneten Händen. Es gibt ein Bild von einem lachenden Mann, der bereits verstorben und so doch weiterhin präsent ist. Andere wollen nur etwas Dekoratives zeigen.

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Nach der Auswahl bearbeitet Knipping jedes Bild, damit sie der Vergrößerung von 9 x 13 cm auf 103 x 97 cm standhalten. Dann werden sie auf PVC-Bannerstoff gedruckt. Der Stoff hat mehrere Vorteile, ist reißfest und gibt die Fotos in einer hohen Abbildungsqualität wieder. Das Fernsehbild wird durch die Folie nicht beeinträchtigt. Dann werden sie wie bei einer Trommel über die Satellitenschüssel gespannt und mit Haken und Gummiseil festgezogen.

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Doch werden denn die Betrachter alle Botschaften verstehen? „Das wichtigste ist die Botschaft, die die Familien aussenden wollen und sie werden nicht immer alle verstanden werden,“ sagt Knipping. „Doch wenn die Schüsseln hängen, kann wieder Kommunikation entstehen. Nachbarn können sich über ihre Fotos unterhalten, wenn sie wollen. Austausch ist auch Teil der Kunst.“

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Es ist das erste Projekt weltweit, was in einer gemeinschaftlichen, künstlerischen Aktion solch eine Galerie hat entstehen lassen. Auf seiner Webseite verspricht Knipping, das Projekt weiter zu entwickeln. Also: auf Sendung bleiben.

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