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Ahorn muss Platin weichen

Das Stadtquartier Bautzener Straße heimst in den letzten Monaten einen Preis nach dem anderen ein. Es erhielt es die höchste Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ( DGNB) auch Platin-Zertifikat und seit März 2016 ist es Preisträger des Berliner Wettbewerbs KlimaSchutzPartner des Jahres.

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Warum freuen sich die Nachbarschaft denn nun nicht über dieses ökologische, nachhaltige, behutsame Bauvorhaben?

Die Bautzener Brache war als wichtige Biotopflächenanteil ausgewiesen,“ betont A. Bähr, eine der drei Anwohnerinnen, die Ende April eine Einwohnerversammlung zu der Bebauung initiierten. „Hier wuchsen vor den Rodungsarbeiten allein vier verschiedene Ahornarten: Berg-Ahorn, Spitz-Ahorn, Eschen- Ahorn, Rot-Ahorn, neben Weiden, Robinien und Wildkräutern. In der Abendschau am 25. April wurde medienwirksam gezeigt, dass auf dem Dach des Paul Löbe-Hauses ein neuer Bienenstand eingeweiht wurde. Hier, wenige Kilometer südlich davon, holzten sie gerade einen Teil der Bienenweide meiner Völker und der meiner Nachbarimker rücksichtslos ab.“

Seit im Oktober 2012 die erste Informationsveranstaltung zur Bebauung der Bautzener Straße stattfand – also lange bevor klar wurde, welch hohe ökologische Standards die Grünfläche zubetonieren würden – rumort es im Gebiet. Es gab eine Einwohnerversammlung (Mai 2013), die erste Bürgerbeteiligung (September 2014 bis Oktober 2014), im November 2015 lag dann die Auswertung der umfangreichen Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange und der Eingaben der BürgerInnen vor. Es folgte der zweite Beteiligungsschritt der Träger öffentlicher Belange (Januar 2016 bis Februar 2016), die jetzige Einwohnerversammlung vom 28. April und bis zum 11.5. 2016 läuft noch die Öffentliche Auslegung des B-Plan 7-66VE, bei dem die AnwohnerInnen ihr Recht wahrnehmen können, gegen diese Bauprojekt Einwände vorzubringen.
Einsicht in die Unterlagen
Weitere Informationen zur Situation rund um die Bautzener Brache

Flyer-Bautzener-Brache

Einwände senden an: Amt für Stadtentwicklung Schöneberg, Rathaus Schöneberg stadtplanung@ba-ts.berlin.de

Zwischen diesen Bürgerbeteiligungsterminen waren Investor und Bezirksamt weiter tätig, ohne jedoch bei den AnwohnerInnen den Anschein zu erwecken, dass ihre Einwände eingearbeitet würden. Zu der letzten Einwohnerversammlung am 28. April 2016 erschien nun eine Mannschaft aus circa 20 BezirkspolitikerInnen, ExpertInnen, ArchitektInnen, LandschaftsplanerInnen und dem Investor.

Mit ihnen saßen circa 150 AnwohnerInnen in der Mensa der Havelland Grundschule, um sich zu informieren, an vielen Stellen ein ironisches „Hört, hört“ zu bekunden und an anderen laut ihren Unmut auszudrücken.

Die Kontrahenten kennen sich, viele der Argumente werden seit Jahren wiederholt und ping-pong-mäßig ausgetauscht. An diesem Abend herrscht mal wieder klarer Frust bei den AnwohnerInnen. Denn was ist noch zu erwarten, wenn die Bagger bereits unterwegs sind, obwohl doch das Beteiligungsverfahren noch läuft?

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Anders als auf anderen umstrittenen Bauflächen gibt es auf der Bautzener Brache, einem ehemaligen Eisenbahngelände, keinen Rechtsanspruch des Eigentümers auf Baurecht. Die Brache ist nach wie vor nach §35 BauGB Außenbereich. Ein Baurecht ist an diesem Ort einzig eine Willensentscheidung der Politik und kann an dieser Stelle versagt werden.

Es gibt eine Alternative !
Welche Chance kann in solch einer Situation ein neuer und umfangreicher Alternativvorschlag haben, den Matthias Bauer bei der Einwohnerversammlung vorbrachte erläuterte? Ist es das richtige Objekt am falschen Platz, fragte er und beamte gleich einen Alternativbauplatz auf die Leinwand.

Doch zuvor erläuterte er anschaulich, wie das Gebiet zwischen Landwehrkanal und Sachsendamm in den nächsten Jahren durch Baumaßnahmen verdichtet wird.

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Seinen fundierten Erläuterungen, folgte seine simple Frage. Wie wäre es denn, wenn die Wunderwohnungen ein paar hundert Meter weiter südlich zwischen der Monumenten- und Kolonnenstraße auf dem Gelände der BSR gebaut würden? „Das Grundstück ist ein bisschen kleiner, doch bekommt man ein städtebauliche Kante geschlossen, da ist jetzt eine Lücke,“ erläuterte er. „Es ist nachts ein Parkplatz, der tagsüber leersteht. Auf diese Weise könnte die Bautzener Straße im Grünsystem integriert bleiben.“

BSR

Der richtige Platz für das Bautzener Stadtquartier?

Schade, dass nach 2 Stunden Statements von Experten und circa 25 Minuten Statements durch die BesucherInnen keine Zeit zum Austausch mehr gab. Dann hätte der Ping-Pong-Ball vielleicht die Platte verlassen und hätte doch noch einmal erneut und dann auch anders geschlagen werden können.

Das richtige Projekt
Die Präsentation des Projektes hatte die ersten 45 Minuten der Veranstaltung eingenommen. „Mir ist wichtig, Ihnen noch mal zu sagen, dass wir von der ersten öffentlichen Vorstellung des Projektes, alles so wie vorgestellt eingehalten haben,“ begann der Investor. „Wegen der klimatischen Durchlüftung haben wir viele Sorgen gehabt. Wir mussten höhere Schallvorschriften hinnehmen, was sich auch finanziell nieder geschlagen hat.“ Er sprach von Bioenergie und dass alle Wohnungen mit Abwasserwärme zu heizen seien. Dass er die kontrollierte Wohnraumbelüftung an anderer Stelle kennen gelernt habe und diese nicht nur funktioniere, sondern ihn auch begeistere. Dass man zur Zeit einen Parkplatz für zwei Wohnungen plane und wenn diese nicht gebraucht würden, bereit sei, zusätzlich 600 Stellplätze für Fahrräder zu schaffen. Es gäbe eine Lärmschutzwand wegen der S-Bahn. Man käme über den noch zu bauenden Biomarkt auf der anderen Straßenseite später in den Gleisdreieckpark. „Was wir versprochen haben, wird bis heute eingehalten,“ betonte er zum Schluss noch einmal.

Der Architekt betonte für ihn sei das „Bauvorhaben ein Glücksfall, weil ich hier einen Bauherrn hatte, der Nachhaltigkeit sehr unterstützt hat. Die ganze Energieseite ist so konsequent durchgeführt, wie ich es noch nie vorher gesehen habe.“ Der geplante Supermarkt käme – da unterirdische – ohne unschönen Baukörper aus, die kleinen Läden garantierten eine lebendige Straßenfront. Der Großgörschenplatz würde multifunktional. Und da seien dann ja auch noch die Sport- und Fitnessflächen im Bereich Yorckstraße.

Schöner Supermarkt unter der Erde

Günstige Mietwohnungen würden entstehen, nur 10% seien über 100 qm groß, der Fokus sei auf kleinen bezahlbaren Wohnungen. „Es war ein Glücksfall, dass wir einen Bauherrn haben, der Mietwohnungen baut, die in verantwortlicher Hand bleiben und nicht schnell veräußert werden,“ begeisterte er sich am Ende noch einmal.

Dann sprach eine Landschaftsarchitektin von 13.000 qm Außenanlagen, drei Innenhöfen mit Kleinkinderspielbereich, zwei größeren Spielbereichen, einem Biotopflächenanteil. Die 39 geschützte Bäumen, die gefällt worden wären, würden durch 72 Ersatzpflanzungen kompensiert, plus den 39 Bäume auf der Tiefgarage. Ein Grundstück würde nicht bebaut und dem Park zugeschlagen. Wachsen solle Efeu und wilder Wein, Pflanzen, die über das ganze Jahr blühen und einheimisch seien.

A. Bähr hatte die Argumente der AnwohnerInnen umfassend erläutert.  Unter anderem sagte sie:  „Die Bautzener Brache ist die notwendige Verbindung zum Gleisdreieckpark. Sie ist das fehlende Stück für eine durchgehenden Fahrrad- und Fußgängerverbindung im Grünen. Die Radwegverbindung zwischen dem Südkreuz und dem Potsdamer Platz kann entlang der Bautzener Brache ohne ungünstige Umwege über die Monumentenbrücke geführt werden. Die Bautzener Brache ist Teil der Belüftungsschneise entlang der Bahntrassen. Die Bautzener Brache ist ein notwendiges Teilstück des Biotopverbunds.
Wieso wird der Wert dieser natürlichen Ressourcen in Berlin nicht erkannt und geschützt?
Wieso wird dieses Gelände, für das kein Baurecht erteilt werden muss, an einen Investor verhökert?
Wieso wird nicht ernsthaft an einem grundlegenden Konzept gearbeitet, wie mit den Natur- und Grünflächen, vor allem unter den Bedingungen des Klimawandels und Artenschwunds umgegangen werden sollte?“

Dagegen die Einschätzung von Wolfram Siewert, Landschaftsarchitekt und beauftragt mit der Umweltprüfung: „Die Bilanz hat gezeigt, dass nicht viel wertvolle Sachen da waren. Ein Vergleich mit dem, was geplant wird, hat ergeben, dass es keine Verschlechterung gibt.“ Siewert erläuterte weiterhin, dass Bodenverunreinigungen beseitigt wurden, das Klima keine erheblichen Beeinträchtigungen erführe. Für die Fledermäuse seien jetzt schon Ersatzniststätten geschaffen und dem Girlitz, der unter besonderer Beobachtung in Berlin steht, würde auch nichts passieren.

Warum gerade hier?
Also alles paletti und ein Schelm, wer denkt, dass das Grundstück gegenüber seinem eigenen Baumarkt Hellweg an der Yorckstraße so wertvoll ist, dass Alternativen nie auch nur ansatzweise bedacht wurden?

Wir haben diese Einwohnerversammlung als Anwohnerinnen beantragt, weil wir in den Jahren unserer kritischen Beobachtung der Bauplanung immer mehr den Eindruck gewannen, dass hier entlang der Bautzener Straße unter allen Umständen den Wünschen des Investors entsprochen werden soll,“ bringt A. Bähr vor.“Entgegen aller Einwände der Nachbarschaft, des BUNDs, des Bezirks und der Senatsverwaltung, entgegen Einwände der IHK und der Polizei und anderer Träger öffentlicher Belange soll hier gebaut werden. …. Für uns Nachbarinnen soll der Eindruck entstehen, dass es sich hier um ein Vorzeigeprojekt für den sozialen Wohnungsbau handele, so sehr wird Werbung für das Projekt gemacht, so sehr werden Einwände und Bedenken dem Willen hier zu bauen untergeordnet.

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„Wie wird die Wohnqualität sein im Bautzener Stadtquartier?“

Tatsächlich aber handelt es sich hier um ein Projekt eines Privatinvestors, der vor allem ein Interesse hat: Er will auf diesem Grundstück, das bisher kein Baurecht hat und dass er sehr günstig als Brachland im Außenbereich erwerben konnte gewinnbringend investieren. Allein durch die Schaffung von Baurecht wird der Wert der 2,2 ha großen Fläche um mehr als das 10fache steigen. Und dazu verhelfen ihm insbesondere unsere Bezirksstadträtin Frau Dr. Klotz und der Amtsleiter für Stadtentwicklung Herr Kroll, die dem Investor unter allen Umständen Baurecht und die Baugenehmigung verschaffen wollen.

Natürlich sieht der Bezirk das anders. Bereits vor der Veranstaltung war ein sechsseitiges Statement von Bezirksstadträtin Frau Dr. Klotz verteilt worden. Doch aufgrund der vermehrt bei ihrem Vortrag erklingenden Unmutsäußerungen verlas sie dieses nicht vollständig. Hier das Abschlusszitat aus dem Statement, dass sie, wenn nicht wortwörtlich dann doch sinngemäß vorbrachte.

Der vorgelegte Bebauungsplan für das neue Quartier Bautzener Straße wird sicherlich diejenigen nicht überzeugen, die gegen jedweden Neubau auf dieser Bahnbrache sind – so wie an vielen anderen Stellen in der Stadt auch. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens (privater Eigentümer, notwendiger Wohnungsneubau, Grünflächenversorgung, Lärmschutzproblematik) stellt der Bebauungsplan einen ausgewogenen Weg dar, der die unterschiedlichen Interessen zum Ausgleich bringt.

Den Wunsch einiger Anwohner_innen dort nicht zu bauen, kann ich zwar nachvollziehen. Eine öffentliche Grünanlage wird aber kein privater Investor auf dem Gelände realisieren und der Bezirk ist dazu nicht in der Lage. Berlin wird in den kommenden Jahren einen deutlichen Bevölkerungszuwachs, vor allem in den Innenstadtbereichen erleben. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum und kleinen Haushalten wird größer werden. Hier haben wir die Chance einen kleinen Teil dieser Nachfrage zu befriedigen. Das neue Quartier ist bestens an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und das Radwegenetz wird auch an dieser Stelle ausgebaut. Das vermeidet zusätzlichen Autoverkehr und ist damit ein Beitrag zum Klimaschutz.

Wird es einen Effekt bei diesem Bauvorhaben haben, dass die Welt drum herum sich seit 2012 inzwischen stark verändert hat?

Politik, die die Bewohner nicht befragt, die ist von uns auch nicht mehr gefragt,“ eröffnete ein Anwohner, den Teil der Veranstaltung, auf der BürgerInnen zu Wort kamen.

Können die AnwohnerInnen jetzt nur noch zuschauen, ob ihre Befürchtungen sich bewahrheiten?

Ich wohne seit 16 Jahren in Bautzener Straße 2,“ sagt eine Anwohnerin „direkt gegenüber dem neuen Fitness. Ich glaube, dass wir Wohnungsbau brauchen. Doch warum prüft niemand in dieser Stadt den Leerstand. Wie zum Beispiel im Riemers Hofgarten. Wir brauchen kleine Wohnungen, ich kann aber aus meiner 4,5 Wohnung nicht raus, weil kleinere Wohnungen teurer sind. Und hier in der Bautzener Straße mangelt es an großen Wohnungen.“

Ich bin ein bisschen überrascht über den Tenor dieser Einwände,“ gibt ein junger Mann zu bedenken. „Ich hätte gedacht, dass die Leute hier nicht nur an sich und Grünflächen denken, sondern auch an die Leute die Wohnungen suchen. Wir müssen etwas gegen Verdrängung tun, aber dafür sind privaten Investoren nicht die Lösung.“

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„Wir ändern nichts mehr, auch wenn noch so lange protestieren,“ sagt ein älterer Mann, der von sich sagt, sich früher politisch betätigt zu haben und deshalb aus Erfahrung spricht. „Aus meinem Fenster gucke ich nur noch auf schreckliche Architektur. Die roten Häuser am Lokdepot und jetzt diese Architektur. Was will der Architekt uns damit sagen, mit der Architektur, auf die ich jetzt immer schauen muss.“

Viele sind unzufrieden, mit dem was Dialog genannt wird, aber was viele nicht als Dialog empfinden,“ führt eine andere aus. „Wir wissen von der Wohnungsnot, wir haben jetzt gehört, dass der Gleisdreieckpark verkleinert wird, wir haben gelernt, dass mehr Verkehr kommen. Dann sind da ganz viele offene Fragen. Bei anderen Projekten gibt es ein Controlling, bei dem das Projekt immer wieder mit den sich ändernden Bedingungen abgeglichen wird. Wird es einen Effekt bei diesem Bauvorhaben haben, dass die Welt drum herum sich inzwischen verändert hat?“

Bleiben in diesem Prozess nur Fragen offen?

Ja, mir sein mitm Radel da – und nach Leipzig kommen wir auch noch

„Seit drei Jahren senden uns Leser ihre Bilder von gefährlichen Stellen im Berliner Radverkehr. Diese zeugen vom Unwillen, das Fahrrad als Verkehrsmittel ernst zu nehmen,“ war der Teaser des gestrigen Tagesspiegel-Artikels Kampfparker, Fehlplanungen und wilde Baustellen.

Ich finde es prima, dass sich LeserInnen dieses Mediums des Themas in einer Art Langzeitbeobachtung annehmen. Und ich danke dem Tagesspiegel, das er diese Missstände mit einer Auswahl von Zeitzeugenbildern und ausführlichen Erklärungen schonungslos und bis auf die Felge offen legt. Weiterlesen

Bürgerbeteiligung à la Yorck – Straßenlandumgestaltung in mindestens 3 Akten

Wenn Sie jemand in der Winterfeldtstraße nach den Westlichen Vorplätzen an der Yorckstraße seien, könnten Sie dann eine Wegbeschreibung liefern?

Westliche Vorplaetze Yorckstrasse 05

Verwunderlich ist es nicht, dass dieses im geographischen Sinne letzte Ende des Schöneberger Nordens kaum Beachtung erfährt. Prägend für das Straßenbild zwischen Mansteinstraße und der ersten Yorckbrücke, sind PassantInnen, die im Laufschritt versuchen, die fünfspurige Yorckstraße innerhalb einer Ampelphase zu überwinden und es doch selten schaffen. Dann hasten sie zum Aufgang der S1 und kommen meist den RadfahrerInnen in die Quere, die auf dem viel zu schmalen Radweg gen Kreuzberg strampeln oder von Osten kommend in die Sackgasse der alten Bülowstraße düsen. Weiterlesen

Graffiti – gehasst, verdammt, vergöttert

Für manche ist Graffiti eine Last der Großstadt, für andere die Lust an dieser. Auf jeden Fall verlangt diese Kunstform jedem eine Position ab. Denn ganz ungefragt einverleibt sie sich öffentlichen Raum. Die Protagonisten sind in der Regel junge Männer, aber auch präsente Frauen, aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus. Gestützt werden sie von der Subkultur des Hip-Hop und der Mehrheit der Jugend. Auf der anderen Seite erzürnen sich alle vier Teile der Gewaltenteilung und ein großer Teil der Bevölkerung.

Ghettostars als Ansage

Streitbare Kunst - 2008 am U-Bhf Blissestraße

Streitbare Kunst – 2008 am U-Bhf Blissestraße

Während Berlin als die Graffitihauptstadt Europas gilt, ist Schöneberg eine zentrale Säule dieser. Hier wiederum ist die Sprühergruppe Ghettostars (GHS) die Ansage an die Stadt. Vom hässlichen, triefenden Tag mit einem selbstgemacht Marker in der U-Bahn, über silbern besprühte ganze S-Waggons, whole cars im Fachjargon, bis zur Leinwandmalerei in Galerien – die Gruppe GHS als Berliner Urgesteine trotzen jeder Aufteilung einerseits in das kreative, bunte und anderseits ins hässliche, schwarze Graffiti. Sie sind seit über zwanzig Jahren der lebende Beweis, dass es das eine ohne das andere nicht gibt.

 Eroberung der Stadt Weiterlesen

Bunte Farben im März-Grau

Von HU-Gastbloggerin Nadine Arndt

An einem grauen, regnerischen Tag mache ich mich auf den Weg in den äußersten Norden Schönebergs – dort, wo hinter der Yorckstraße das Gleisdreieck schon auf Kreuzberger Gebiet liegt.
Vom U-Bahnhof Yorckstraße kommend, laufe ich in Richtung Schöneberg und biege nach kurzer Zeit links in die Mansteinstraße ein. Auf der rechten Seite empfängt mich in martialischem Rot-Schwarz das Schaufenster eines Waffenhandels. Militarismus liegt mir nicht und ich gehe schnell weiter.

Die Mansteinstraße ist noch kürzer als ich es nach dem Blick auf den Stadtplan vermutet habe: ein typisches Berliner Nebeneinander von schönen Gründerzeithäusern mit ihren schmiedeeisernen Balkons und wenig auffälligen, schmucklosen Häusern jüngeren Datums.

Mansteinstraße

Die traditionsreiche Spirituosenhandlung Leydicke in der Mansteinstraße Nr. 4 hat an diesem Samstagmorgen noch geschlossen – schade, ich hätte mich dort gerne einmal umgesehen. Daher begnüge ich mich damit, trotz des Regens meine Kamera auszupacken und ein paar Schnappschüsse zu machen.

Auf der anderen Straßenseite eine unauffällige Fahradwerkstatt, dort war einige Jahre die Heimat des berühmt-berüchtigten „Ex’n’Pop“ – einer wahren Institution des West-Berliner Nachtlebens der 80er Jahre. Iggy Pop und David Bowie sollen dem Vernehmen nach häufig hier gwesen sein, die Einstürzenden Neubauten und Nick Cave, Ben und Meret Becker. Im Jahr 2000 mußte es dann wegen Sanierungsarbeiten schließen.
Inzwischen gibt es in der Potsdamer Straße wieder eine Kneipe gleichen Namens, die Myspace-Seite des alten Ex’n’Pop trägt zur Unterscheidung den Namen „Das echte Ex’n’Pop“. Ein bißchen melancholisch bin ich jetzt  schon – als ich 1995 das erste Mal in Berlin war, gab es viele Horte des West-Berliner New Wave- und Punk-Undergrounds entweder schon gar nicht mehr oder sie hatten sich bis zur Unkenntlichkeit verändert wie etwa das „Linientreu“ an der Budapester Straße das erst mit Wave und Punk, später aber mit Techno-Parties berühmt wurde.

Vom Ende der Straße höre ich laute Stimmen und will nachsehen was dort los ist. Deswegen passiere ich den einzigen Farbklecks in der Mansteinstraße, das Hausprojekt „Rote Insel“ mit der Hausnummer 10 fast zu schnell. Nur ein paar Fotos will ich noch machen.

Das Hausprojekt "Rote Insel" in der Mansteinstraße

An der Ecke Mansteinstraße/Großgörschenstraße/Crellestraße ist Wochenmarkt. Daher kommen also die lauten Stimmen, denke ich mir und mache mich auf die Suche nach einem Stand an dem ich herrlich sesam-süßes, Zähne verklebendes, glücklich machendes Halva erstehen kann.
Ich lasse mich treiben, bewundere riesige Ingwerknollen, wie poliert glänzende lila Auberginen, Fladenbrot und Sesamringe in unendlichen Variationen. Der laute Sprach-Mischmasch aus Deutsch, Türkisch, Vietnamesisch und anderen Sprachen (ich vermeine, hier auch Griechisch und Polnisch gehört zu haben) verwirrt mich ein wenig und da ich nirgends etwas entdecke was auch nur im Entferntesten an Halva erinnert, schlendere ich unter der S-Bahn-Brücke hindurch in Richtung Katzlerstraße.

Rechts von mir der Eingang zum Alten Sankt Matthäus-Kirchhhof. Er übt eine eine gewisse Anziehungskraft auf mich. Ich entscheide mich dafür, trotz des Nieselregens einen kurzen Abstecher auf den Friedhof zu machen. Aus dem „kurzen Abstecher“ wird dann doch eine ganze Stunde und erst als ich – peinlicherweise –  über einen fast versunken Grabstein stolpere und mir den Knöchel verknackse, beschließe ich notgedrungen, den Friedhof wieder zu verlassen und durch die Katzlerstraße zum S-Bahnhof Yorckstraße/ Großgörschenstraße zu humpeln.

Die Katzlerstraße ist ebenso kurz wie die Mansteinstraße, direkt an der Ecke empfängt mich der „Pizzaclub“, angeblich eine der besten Pizzerien der Stadt. Auch sie ist noch geschlossen. Schade, wenn ich schon kein Halva bekommen kann, würde ich mich doch jetzt gerne mit einer Pizza trösten. Aber sei’s drum, verspreche ich mir eben für nachher eine große Kanne Darjeeling mit Schokokeksen.

Der "Pizzaclub" hatte leider geschlossen

Neben dem Hausprojekt Katzlerstraße 13 mit seinen bunten Wänden – entstanden in einer Graffitaktion mit Jugendlichen vom „Treff 62“ –  ist ein beeindruckend aufwendig gestalteter Spielplatz mit Resten einer Begrünungsaktion. Für wild wuchernde Kletterpflanzen ist es noch zu früh im Jahr, aber ich bewundere die bemalten Flaschen und den kleinen Traumfänger die anscheinend den Winter hier gut überstanden haben.

Ein Kunstwerk auf dem Spielplatz an der Katzlerstraße 13

Das Integrationsprojekt „Harmonie e.V.“ hat in seinen Fenstern Poster der Plakat-Aktion „Liebe verdient Respekt“ in deutsch, türkisch und arabisch, mit je einem Bild eines lesbischen, eines heterosexuellen und eines schwulen Paares.

Mit den leiser werdenden vielsprachigen Rufen vom Wochenmarkt im Rücken gehe ich langsam zur S-Bahn zurück und freue mich über viele neue Fotos für meine Sammlung.

Yorck52: Café und Coworking Space in Grün

Von HU Gastblogger Ines Sieland

Die Yorckstraße scheint menschenleer, nur Autos rauschen in Massen an mir vorbei.  Ich bin auf dem Weg zum Yorck52, einem biologisch veganen  Café und Coworking Space, welches im Juni 2010 eröffnet wurde.

Es liegt nur circa fünf Minuten vom S/U-Bahnhof Yorckstraße entfernt. Von außen wirkt es klein und unscheinbar; gegenüber ist eine Baustelle. Dort wird ein Baumarkt mit einem Fußballplatz auf dem Dach und dahinter ein großer Park entstehen.

Yorck52

Ich trete ein. Mein Blick fällt auf eine gemütliche Couchecke und auf eine Vitrine mit leckeren belegten Brötchen, Kuchen und vielen gesund aussehenden Säften. Einige Gäste sitzen hier im Cafébereich vor ihren Laptops, andere unterhalten sich leise. Weiterlesen