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Alle Macht den Bürgern – QM als Zukunftsinvestition oder Millionengrab?

Von HU-Gastblogger Christian Döring

Im Rahmen des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ wurden in Gebieten mit erheblichen Defiziten, z. B. bezüglich Infrastruktur, Integration von Ausländern und Menschen mit Migrationshintergrund, der Arbeitsmarktentwicklung und der Bekämpfung des Leerstandes von Wohn- und Gewerberäumen, Quartiersmanagements (QM) installiert.

Allein in Berlin Mitte gibt es fünf QM-Gebiete, in denen für obengenannte Probleme Lösungsansätze entwickelt und angewendet werden sollen.

Eines dieser Areale, das QM Magdeburger Platz, ist direkt an der Grenze zum südlichen Bezirk Tempelhof-Schöneberg gelegen. Es wird umrahmt von der Kurfürstenstraße im Süden, dem Landwehrkanal im Norden, der Flottwellstraße im Osten und der Einemstraße sowie dem Lützowplatz im Westen.

Bereits seit 1999 übernimmt das Quartiersmanagement die Aufgabe, im Kiez schlummernde Potentiale aufzudecken und zu aktivieren, um somit den vielfältigen Problemen zu begegnen. Seit 2006 unterstützt ein demokratisch gewählter, 23 Mann/Frau starker Quartiersrat (QR), zusammengesetzt aus BürgerInnen sowie örtlichen Vereinen und Institutionen, das Quartiersmanagement.

Der Quartiersrat diskutiert den Sinn und voraussichtlichen Nutzen eingebrachter Ideen und Vorschläge, stimmt darüber ab und leitet die von der Mehrheit angenommenen Projekte ans QM weiter. Das QM hilft wiederum bei der Ausformulierung der Projektanträge und begleitet den bürokratischen und organisatorischen Teil der Umsetzung.

Die Einrichtung des Quartiersrates (QR) verleiht den Anwohnern und Gewerbetreibenden vor Ort ein Mitspracherecht, wenn es um die Lösung aufkommender und präsenter Probleme im Kiez geht. Der QR versteht sich dabei selbst als „Schnittstelle zwischen Bevölkerung und Verwaltung“. Bürgerbeteiligung ist also das zentrale Stichwort. Der Bürger wird mit Kompetenzen und einer gewissen Entscheidungsgewalt ausgestattet (die endgültige Entscheidung obliegt weiterhin dem Bezirk) und zugleich zur Verantwortung gezogen. Es obliegt ihm Projektideen vorzuschlagen und sich ggf. im QR zu engagieren.

Das klingt auf der einen Seite nach mehr Mitbestimmung für Anwohner, die quasi als Vor-Ort-Experten am besten wissen müssten, wo die Defizite im Bezirk liegen und wie man ihnen begegnet. Auf der anderen Seite unterliegt der Maxime der Hilfe zur Selbsthilfe in diesem Fall immer der Gedanke, dass es bei Misserfolgen oder der Verschlimmerung der Problemlagen im Kiez, dem Unvermögen der Bürger geschuldet ist, keine adäquaten Lösungsansätze zu entwickeln.

Äußerst kritisch betrachtet, könnte man diese neue Form der Bürgerbeteiligung also auch als Problemabwälzung von eigentlich in der Verantwortung des Staates liegenden Aufgaben auf Anwohner und Quartiersmanager verstehen.

Auf die Aufgaben des QM Magdeburger Platz angesprochen, entgegnet Quartiersmanager Jörg Krohmer, dass“ das Quartiersmanagement Magdeburger Platz neun Handlungsfelder hat, in denen es tätig wird. […] Beschäftigung soll geschaffen werden, indem man das örtliche Gewerbe stimuliert, das Bildungsangebot soll ausgeweitet werden. Es wird eine bessere Qualität des Wohn- und Lebensraums angestrebt durch die Beseitigung von Baumängeln, auch die Infrastruktur soll aufgewertet werden, vor allem die soziale Infrastruktur….“.

Allein diese ersten vier Handlungsfelder klingen nach einer Menge Arbeit. „Wir im QM sind drei Leute. Der Michael Klinnert ist der Projektleiter des ganzen QM und kümmert sich um soziale und kulturelle Projekte. Recep Aydinlar ist verantwortlich für Integration und Sprachförderung und meine Gebiete sind die Gewerbeförderung vor Ort, die Sicherheit und die Imageverbesserung.“ so Herr Krohmer. Zugleich sind die Quartiersmanager Anlaufstelle für Bürger vor Ort, haben ein offenes Ohr für deren Probleme und stehen ihnen beratend zur Seite. Außerdem ist „das Projekt soziale Stadt durch seine stärkere Bürgerbeteiligung zur Entscheidung der Verteilung der Mittel sehr verwaltungsaufwändig geworden und jetzt kommt auch hinzu, dass wir die Abrechnung der Mittel und das Monitoring über den Erfolg der Maßnahmen machen müssen.“ Dafür geht dann schon mal ein Drittel der Zeit und mehr drauf.

Im Quartiersmanagement ist man sich der eigenen Schwächen also durchaus bewusst. Auch dass man grundlegende strukturelle Probleme auf regionaler Ebene nicht lösen kann (z. B. strukturelle Arbeitslosigkeit) und dass die Projektförderung auf lange Sicht auf eher wackeligen Beinen steht, da sie für maximal fünf Jahre vom Bund-Länder-Programm Soziale Stadt gewährleistet wird, und anschließend selbsttragend, d. h. von privater Hand finanziert und fortgeführt werden muss. „Erfahrungsgemäß funktioniert das so nicht, weil sich keine Sponsoren für die Projekte finden und sie in der Folge nicht verlängert werden können.“

Nichtsdestotrotz lassen sich QM und QR nicht entmutigen Projekte vorzuschlagen und sie durchzuführen. Und dies mit beachtlichem Erfolg.

Die Ausweitung der Französisch-Sprachlernangebote ist eine solche Erfolgsgeschichte. Bereits vor fünf Jahren wurden an der Fritzlar-Homberg-Grundschule sowie an der Grips-Grundschule französische Arbeitsgemeinschaften eingerichtet. Gleiches gilt für den INA Kindergarten Lützowstraße. Dort wurde französisches Personal eingestellt, welches mit den Kindern auf spielerische Art und Weise die französische Sprache erlernt. Dies ebnet möglicherweise für sie den Weg für das im Bezirk ansässige französische Gymnasium.

Die enorme Resonanz auf die Angebote führte zu deren Ausweitung. Sie haben sich mittlerweile etabliert und sogar Unterstützung durch das Institut Français und die Deutsch-Französische Gesellschaft Berlin e.V. erwirken können.

Eine andere Erfolgsgeschichte ist der Familiengarten in der Kluckstraße. Er wurde unter Beteiligung der Anwohner beplant und erfreut sich reger Beliebtheit, besonders im Sommer. Ausgestattet mit einem Streetsoccerplatz, einem Sandspielplatz, einer Liegefläche, den interkulturellen Gärten, einer Hügellandschaft, einem Grillplatz mit Lehmofen und vielem mehr, lädt der Familiengarten seine umliegenden Anwohner ein zum Spielen, Sonnen, sich Begegnen und Austauschen, zum gemeinsamen Grillen und Feste-Feiern. Damit hat er seinen Zweck voll und ganz erfüllt, nämlich die Anwohner des Kiezes miteinander bekannt zu machen und zu vernetzen, eine soziale Infrastruktur aufzubauen zwischen Menschen, die sich räumlich so nah sind und vielleicht doch nie begegnet wären.

In dieser Hinsicht kann Quartiersmanagement einen wahrscheinlich kaum messbaren Beitrag zur Verbesserung des Klimas innerhalb eines Kiezes und zum Zusammenhalt der dort ansässigen Bewohner leisten. Zumindest solange es engagierte Bürger gibt, denen ihr Umfeld nicht egal ist, die viel ihrer persönlichen Zeit und Kraft investieren, um etwas für die Gemeinschaft zu tun. Solange es solche Bürger gibt, kann der Staat sich erlauben, Probleme abzutreten.